Tag 3 meiner virtuellen Reise in das zentrale Afrika. Endlich war ich mit leichtem Gepäck aber geschundenem Hintern im Dzanga-Sangha-Gebiet angekommen und so stand dem Zusammentreffen mit echten Tieren eigentlich nichts mehr im Weg.
Das erste Tracking ging auf die Ebenen des Dzanga-Sangha und dort mussten wir noch nicht einmal Glück haben, sondern nur geduldig auf unserem Hochsitz sitzen, die Kamera’s scharf stellen und warten. Es dauerte nicht lang und die ersten Elefanten kamen auf die von Salz durchdrungene Ebene und meine Kamera sendete Dauerbeschuss. Wenn man aber neben den vielen Elefanten auch noch die unglaublichen Farben aufsaugen will, ist ein Dauerbeschuss einfach unerlässlich.

Die Elefanten sind nämlich meine Partnertiere und somit gestrickt wie ich selbst. Wenn ich eine Tüte Chips vor mir stehen habe, Loch rein und kopfüber eintauchen in das salzige und süchtigmachende Geschmackserlebnis. Nur das bei den Elefanten das Vergnügen nicht nur auf eine Tüte beschränkt war, sondern auf eine Ebene so groß wie ein riesiges Shoppingcenter. Und so steckten überall Elefanten kopfüber im Schlamm mit den Rüsseln tief in der Erde, wo sie Salz rausholten. Und wenn es mal Streit um solch ein Loch gab, wurde es ordentlich laut. Ungefähr so, wie wenn man heutzutage eine Packung Toilettenpapier ergattern will.


Nach diesem aktionsreichen Tag bei den Elefanten war ich besänftigt. Ab jetzt würde alles super werden und glatt laufen. Dieses Gefühl hatte ich ungefähr 15 Stunden, also genau bis zum nächsten Morgen. Dann ging es nämlich auf unser erstes Gorillatracking zu den Flachlandgorilla’s. Der Tag fing wie immer an, mit einer einstündigen Autofahrt auf meiner Ladefläche. Diesen Stammplatz war ich immer noch nicht los geworden.
Aber vielleicht lag es daran, dass ich mit meiner eingeschränkten Garderobe mittlerweile gar nicht mehr so frisch duftete, wie bei der Anreise. Ich brauche ja nicht erwähnen, dass Deo, Parfüm, Zahnpasta, Duschbad und Haarwäsche in meiner gelbschwarzen Kraxe lagen. Jeden Abend zog ich mit meiner Zahnbürste durchs Camp und ging schnorren:
Hat jemand eine Line Zahnpasta für mich? Kann mir jemand sein Duschbad geben? Ja, ich nehme auch den Männerduft.
Ziemlich würdelos, aber erfolgreich. Von meinen Un-Gentlements hatte ich inzwischen sogar einen Gürtel und eine Hose, sowie ein paar Socken in Größe 44 bekommen, die Guten. Also nahm ich immer ganz „nett“ und freiwillig meinen Platz auf dem Gepäck ein und duftete so vor mich hin. Ich glaube, zu der Zeit hatte ich schon mächtig Hornhaut am Arsch.
Also ging es an diesem Tag in fremden Schlüppi, Hose, Flipflops und T-Shirt vom Rot-Kreuz-Container und mit dem Socken und Gürtel meiner Mitreisenden ab zu den Gorilla’s und ich hätte vollstes Verständnis gehabt, wenn die Gorillas mich in dem Outfit entweder aus Mitleid adoptiert hätten oder der Silberrücken mich von meinem Leid durch einen Faustschlag ins Gesicht erlöst hätte. Aber um herauszufinden, wie die Gorillas auf mein Outfit reagieren, mussten wir sie erst einmal finden.
Und diese Flachlandgorillas unterscheiden sich maßgeblich von unseren Zoo-Gorillas, denn sie haben keine Zäune und Begrenzungen und sind damit überall und nirgends. Da es sich um habituierte Tiere handelt, sie also meist von Rangern begleitet werden, mussten wir nur den Hinweisen der Ranger folgen.
Klingt einfach? Vergesst es! Die Markierungen der Ranger waren halt keine großen neongelben Hinweisschilder, sondern nur abgeknickte Äste im dichten Gestrüppwald. Nun ist es ja nicht so, dass es nur die Ranger gibt, die hier gelegentlich Äste umknicken, sondern auch trampelige Elefanten oder Büffel und witzige Gorillas mit versteckter Kamera. Außerdem ist mein städtisches Auge nicht so ganz geschult auf abgeknickte Äste entlang nicht vorhandener Wege. Also vertraute ich lieber den Guides und latschte treudoof in einen Affentempo (Gorillatempo) hinter ihnen her.
Doch irgendwann wurden die Jungs nervös, drehten um, liefen wieder ein Stück zurück und drehten wieder um. Irgendwie war der letzte Ast-Wegweiser wohl nicht so eindeutig wie gewünscht und so liefen wir zurück bis zum letzten eindeutig geknickten Ast und sollten nun warten, warten und warten. Nämlich bis die Ranger bei den Gorillas stutzig werden und unsere Ankunft erwarten bzw. vermissen. Dann würde laut Plan B, scheint öfters vorzukommen, ein Ranger zurücklaufen und uns suchen.
Was keiner erwähnt hatte, dies würde sehr, sehr lange dauern. Und so saßen wir stundenlang mit zu wenig Wasser auf dem Waldboden und hofften, dass ein Ranger vorbei kommt. Wilde Tiere dagegen sollten gefälligst einen großen Bogen um uns machen.
Ich war bei diesem Warten so gelangweilt, dass ich Schmetterlinge in Trance fotografierte und Ameisenstraßen auf Vollzähligkeit überprüfte.

Kurz vor der Dehydrierung kam dann tatsächlich ein Ranger bei uns vorbei, diskutierte mit den anderen Guides wie wild. Ich schätzte es ging um eine eindeutige Wegbeschreibung bzw. wer nun Schuld war:
„Mensch ich habe doch da vorne einen eineindeutigen Knick in den fucking Ast gemacht. Das heißt rechts lang!“
„Ach so, ich dachte, Du meintest das andere Rechts..“
Nun saß uns die Zeit im Nacken und wir durften durch das Gestrüpp rennen. Macht total Spaß, wenn man eine Machete hat und sich den Weg freischlagen kann wie Indiana Jones. Ich hatte aber keine Machete in meinem Handgepäck, war auch nicht Indiana Jones und damit hing mir jeder Dornenbusch in den Haaren oder meinen originellen Klamotten oder er zerkratzte mir meine zarte Haut. Aber was tut man nicht alles für solch ein Affentheater.
Denn nach ein paar gerannten Kilometern wurden wir tatsächlich fündig – eine Gruppe wilder Flachlandgorillas. Ungefähr 15 Tiere in allen Altersgruppen und der Silberrücken riesig und beeindruckend.
Im Gegensatz zu den schon von mir beobachteten Berggorillas, sind die Flachlandgorillas wesentlich agiler und rennen eigentlich die ganze Zeit durch den Wald. Dabei müssen wir Menschen nun aufpassen, dass wir nie zwischen den Silberrücken und ein Familienmitglied geraten, denn sonst ist der Kongo (oder Polen) offen und wir sind Silberrückenfutter. Aber an diesem Tag zumindest haben wir diese Challenge bestanden und konnten einfach nur noch genießen. Und all die Anstrengungen der letzten Tage waren es einfach wert und so durften wir eine ganze Stunde mit den Affen um die Wette rennen, dabei auf alle Benimmregeln achten und noch Foto’s machen und überleben.


Wir waren an dem Tag 12 Stunden auf Achse und schafften am Abend kaum noch das Abendbrot, hatten aber ein unglaublich breites Grinsen auf den Lippen. Und die gute Nachricht ist, trotz meines Outfits wurde ich weder adoptiert noch umgebracht, sondern durfte ebenfalls breit lächeln, während ich einen Zahnpastasponsor suchte. Meine Kamera hielt auch noch durch und dabei hatte ich gefühlt schon 1.000 Bilder gemacht, die wohl nur ich genießen kann. Ich brauchte dringend einen anderen Touristen, der das gleiche Kameramodell hat. Mal sehen, ob ich doch noch ein bissl Glück habe. Schließlich wäre sonst der Urlaub endgültig für mich gelaufen.
Im nächsten Teil berichte ich von den Riesen des Regenwaldes, der ZAR-Prostituierten-Genossenschaft und unserer Fahrt in die Republik Kongo, die natürlich auch wieder mehr Abenteuer bot, als eine Busfahrt in den Zoo.
Wollt ihr den Reisebericht noch weiter oder doch lieber wieder Corona-Themen lesen? Ich brauche hier mal eineindeutige Hinweise von Euch:)
Wieder sehr spannend. Ich bin direkt dabei und glaube mir, ich fiebere mit dir! Toller Bericht. Danke
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