Nun schreibe ich schon den 5 Teil und bin eigentlich erst bei meinem sechsten Reisetag. Ich musste heute sehr schmunzeln, als ich zur besseren Erinnerung mein altes Reisetagebuch aus dem Bücherschrank holte und eben diesen sechsten Tag auswählte und die ersten Zeilen las:
„Tag 6 ohne Tasche. Heute hatte ich meine Jeans an, eines meiner neuen T-Shirts und meinen eigenen Slip. Wahnsinn!“
Ihr seht auch direkt vor Ort mit all diesen Hürden hatte mich mein Humor nicht verlassen. Wo sollte er auch hin? Und so ging ich diesen neuen Tag wieder mit einer 2 stündigen Fahrt auf dem Freiabteil unseres Pickup Richtung Dzanga Bai und den Elefanten an. Das ist dort wie Angeln für Frauen, man sitzt zusammen auf einem riesigen Hochsitz, spricht nicht mit den anderen und genießt einfach nur die Ruhe und die Aussicht auf die wilden Tiere. Andere machen für dieses Gefühl Strandurlaub auf den Malediven, aber für mich gibt es kaum etwas schöneres, als stundenlang einem Elefanten beim Loch buddeln zuzusehen.
Normalerweise waren unsere Tage so komplett durchgetacktet. Im Morgengrauen ging es aus den Betten, ich suchte nach einem benachbarten Zahnpastadealer meines Vertrauens, dann gab es Frühstück, wir fuhren 2 Stunden in die Bai bzw. wanderten dann noch eine Stunde zu unserem Hochsitz, inkl. dem täglichen Schuhe aus, Hosen hoch oder aus und ab durch den Fluss.
Doch den heutigen Wir-starren-vom-Hochsitz-Marathon haben wir dann in einstimmiger Abstimmung unterbrochen um ein zusätzliches Gorilla-Tracking einzulegen. Läppische 500$ sollte uns dieses Vergnügen kosten, aber wer einmal bei den Gorillas war, wird verstehen, dass man dieses Geld gerne wieder für eine Wiederholung hinblättert. Ist ungefähr wie das zweite Mal im Lieblingsschuhladen. Da springt man auch schneller über die Hürde des Bezahlens, als beim ersten Mal.
Dieses Mal hatten wir Gorilla ohne Verlaufen gebucht und tatsächlich auch bekommen, was wir gebucht hatten. Da wir immer nur zu dritt für eine Stunde zu den Gorillas durften, aber wir ja fünf Leute waren, mussten wir uns aufteilen. Und endlich konnte ich mal einen Vorteil daraus schöpfen, dass ich seit 5 Tagen mir den Arsch habe wund rütteln lassen. Ich durfte nämlich gleich zweimal zu der Gorilla-Gruppe und genoss diese Erlebnisse aus vollen Zügen.

Und eines gab es sogar noch gratis dazu. Endlich durften wir mal erleben, was so ein Silberrücken so drauf hat, wenn er sauer ist. Keine Sorge, der Silberrücken war nicht sauer auf mich, aber auf einen unserer Mitreisenden. Denn der hatte aufgrund seines Alters schon graue Haare und war deshalb für den Silberrücken eine direkte Konkurrenz. Ob unser Bernd auch graue Haare auf dem Rücken hatte, vermag ich Gott-sei-Dank nicht zu sagen. Doch wie das so bei dominanten Männchen ist, muss gleich mal klar gestellt werden, wer hier der wahre Kerl ist. Also rannte der Silberrücken mit vollem Karacho durch den dichten Dornenwald auf uns zu und trommelte in Silberrücken-Manier auf seine Brust. Ich schwöre Euch, dieses Trommeln war noch im weit entfernten Bangui zu hören und war markerschütternd.

Wenn dir so etwas passiert, setzt ja alles rationale Denken komplett aus und der Instinkt übernimmt die Macht. Dummerweise, sagt dein Instinkt in solch einem Moment:
Renne um Dein Leben!
Da allerdings die Ranger Bescheid wissen, dass wir nur dämliche, instinktgesteuerte Touristen sind, die garantiert die Verhaltensregeln für solch einen Fall aus der Belehrung vor dem Tracking vergessen haben, haben sie das rationale Denken für uns übernommen und uns festgehalten. Denn eines solltest Du nie, nie machen! Dem Gorilla den Spaß gönnen, dass er noch hinter dir her rennen darf, bevor er Dich tötet. Also stehenbleiben, den Kopf demütig senken und nie dem Gorilla in die Augen sehen und meinen, mit einem Zwinkern bekomme ich das noch gerettet. Ich gebe ja zu, nach dem ersten Schreck hätte ich am liebsten noch gefilmt, aber auch das wurde, glaube ich, in den Verhaltensregeln untersagt. Aber man kann sich ja wirklich nicht alles merken.
Nach diesem Spaß gönnten wir uns noch ein „Wir-haben-überlebt-Bier“ in der Doli-Lodge zusammen mit den Primatenforschern und saugten neben dem Bierchen auch noch die Wissenden aus. Ich hatte dort endlich mal Empfang und konnte 10% meines kostbaren Akkustandes mit meinen Liebsten telefonieren. Natürlich habe ich während des Telefonates extrem tiefgestapelt und alles in rosarot ausgemalt und berichtet als würde ich hier eine Kaffeefahrt mit dem Kukident-Express machen. Nur damit sich alle zu Hause nicht noch mehr Sorgen machen müssen. Denn die Tatsache, dass ich immer noch gepäcklos unterwegs war, beunruhigte die Zuhausegebliebenen schon umfassend. Wenn ich die Wahrheit erzählt hätte, wäre Swen zum James Bond mutiert und hätte eine spontane Rettungsmission organisiert. Aber dann wäre ich ja nicht in den Kongo gekommen, denn dies ja war unser nächstes Ziel.
Mit dem Morgengrauen ging es los, zuerst angeblich 2 Stunden mit dem Boot flussabwärts, dann 2 Stunden mit dem Auto in den Jungle und zuletzt 2 weitere Stunden mit dem Mokoro zu unserem nächsten Camp, dem Mbeli Camp. Soviel zur Theorie, denn in unserer Praxis sah es wiedermal ganz anders aus.

Die Bootsfahrt ging gut los, die Sonne schien, das Motorboot heizte nur so gen Kongo und wir freuten uns auf dieses noch unbekannte Fleckchen Erde. Aber nach einer halben Stunde war dieses Gefühl gleich wieder dahin, denn unser Bootsmotor machte die Grätsche und wir trieben nun gen Kongo. Was aber so ein richtiger Afrikaner ist, der baut halt mal den Motor gleich auf dem Fluss auseinander und repariert so vor sich hin. Nach einer halben Stunde, war der Motor wieder zusammengebaut, ein paar Teile bleiben übrig und wir konnten weiterfahren. Dieses Spielchen machten wir dann im Abstand von 15 Minuten, also kurz fahren, wieder eine Stunde Motorpuzzle mit einigen Puzzleteilchen, die am Schluss nicht mehr gebraucht wurden und alles wieder von vorne. Ich frage mich noch heute, wie wir tatsächlich mit laufenden Motor ans Ziel kamen, denn zum Schluss gab es für mein Empfinden mehr Teile die übrig waren, als noch im Motor steckten. Ein afrikanisches Wunder!

Somit lief uns natürlich etwas die Zeit davon und wir konnten nur hoffen, dass wir am Grenzübergang noch die Beamten zum Stempeln treffen. Auf ZAR-Seite klappte dies ja noch, wobei ich zugeben muss, dass ich im Leben nicht gedacht hätte, dass so eine Grenze aussehen kann. Ungelogen legten wir an der zentralafrikanischen Flussseite an und fanden eine kleine Holzhütte vor, die hierzulande noch nicht einmal als Gartenlaube durchgegangen wäre. Dort bekamen wir unseren Ausreisestempel und waren damit Staatenlos. Denn als wir nach weiteren 2 Stunden endlich die Hütte auf der Kongolesischen Seite fanden, war dort niemand mehr da. Die afrikanisch-pragmatische Lösung: einfach mal illegal einreisen. Für mein ordentlich-deutschen Anteil war das ganz schön viel Adrenalin auf einmal. Ich sah mich schon auf Jahre in einem kongolesischen Gefängnis mit lauter süßen Mischlingskindern vom kongolesichen Dorfältesten. Schwarzmalen kann ich.

Aber der Kongo ist halt nicht Deutschland und somit hat dies irgendwie keinen interessiert. Nun waren wir im Kongo und konnten endlich mal mit einem ausreichend großen Auto weiterfahren. Wie gut es sich doch auf einem so ausgesessener Ledersitz sitzt, wie viel schöner sich die Schlaglöcher anfühlten, ein Traum und ich genoss jeden Kilometer. Somit waren wir gut eingestellt auf die letzten Tagesetappe mit dem Mokoro. Für die die es nicht wissen, ein Mokoro ist ein Einbaum-Boot. Also bitte drin sitzen und ja nicht bewegen, denn sonst kippt das ganze um. Selbst ein vorsichtiges Schauen nach links oder rechts bringt das Mokoro schon zum Schwanken. Erhöhter Schwierigkeitsgrad ist dann, wenn dich die Bremsen und Mücken auffressen und du sie weder klatschen kannst, noch jucken darfst. Das war eigentlich der härteste Teil der heutigen Reise.

Ich sah aus wie nach dem Angriff der Killerinsekten und jeder Knochen tat mir vom steifen Sitzen weh. Aber was macht man nicht alles.
Und wir kamen nach dieser Irrfahrt tatsächlich noch am selben Tag in unserem Camp an. Herrliche Hochsitzhäuser mitten im Jungle mit einem Plumpsklo am Boden und einer wunderbaren Eimerdusche. Als ich endlich wieder Duschbad geschnorrt hatte, gönnte ich mir dieses luxoriöse Duschen und freute mich auf die Nacht im Jungle.
Allerdings habe ich nicht bedacht, dass so ein Jungle nachts auch mal der lautesten Autobahn Konkurrenz machen kann, was die Dezibelanzahl betrifft. Hinzu kamen dann noch Geräusche von kleinen Mäusen, die durch mein Haus rannten und sich anhörten, als wären es riesige fleischfressende Mörder-Ratten. All das würde mich hier in Deutschland in den Wahnsinn treiben und dort bescherte es mir mal geradeso ein paar schlaflose Stunden. Denn irgendwann hörte sich das Mäusegetrappel an, wie Regentropfen, hinzu kam ein ordentliches Gewitter mit echten Regentropfen und der Wind wiegte mich dazu in meinem Baumhaus in den Schlaf. Übrigens ne tolle Idee solch Baumhäuser im Regenwald mit Blechdach zu bauen. Oropax wären schön gewesen, lagen aber in meinem gelbschwarzen Rucksack, den ich gerade sehr, sehr vermisste.

Was kommt nun noch? Lasst Euch überraschen! Denn jetzt kamen 5 wirklich harte Tage, was angesichts der bisherigen Beschreibungen mir sicherlich keiner mehr glaubt. Aber wirklich, bis jetzt war alles Kindergartengruppe. Denn der Kongo machte uns mürbe.
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