Meine Eltern haben ja heute spontan die Theorie vom letzten Artikel bestätigt, dass man nicht alles wissen muss. Ihre Nachricht an mich lautete nämlich:
„Wir sind froh, dass wir bis jetzt nichts genaueres wussten. Hatten aber damals schon Schlimmes geahnt. Komm nach Corona mal vorbei und wir machen Dir nen lecker Thunfisch.“
Ich liebe Sie ja, meistens und sie sind es auch, die mir diesen schrägen Humor irgendwie in die Wiege gelegt haben. Aber egal wie sehr ich sie liebe, ich habe immer noch meine Thunfischgrenzen inklusive Stacheldraht und Selbstschussanlage.

Hätten sie mir damals solch ein Angebot geschickt, wäre die Nachricht auf dem Handy aufgetaucht:
Am Ende der Nachricht wird sich dieses Handy selbst zerstören…
Also ist es doch manchmal tatsächlich gut keinen Empfang zu haben und in the middle of nowhere knietief zu stecken. In Zeiten von Corona wünsche ich mich schon fast wieder in diese Mitte zurück. Dann denke ich aber zurück, wie ich am zweiten Tag im Mondika Camp drauf war und plötzlich kann auch Corona schon fast wieder schön sein. Ich wachte nämlich dank zu wenig Wasser und zu viel Thunfisch mit einer mich lahmlegenden Migräne auf und mein geplantes Gorilla-Tracking war umsonst geplant worden. Ich schaffte es den ganzen Vormittag noch nicht einmal von meiner Luma runter, geschweige denn aus dem Zelt. Jetzt kommt der Running Gag:
Meine Schmerztabletten machten ja auch lieber mit meiner gelbschwarzen Kraxe Urlaub, statt mir zu helfen.
Aber nachtragend zu sein, hätte mich in der Situation auch nicht weitergebracht. Also Augen zusammenkneifen und den Schmerz weghecheln. Einer der Forscher, vielleicht mein Held vom Vortag, half mir mit Schmerztabletten aus und ich stellte mal wieder fest, wie unangebracht das Wort „borgen“ in solch einem Zusammenhang verwendet wird. Denn nix von all dem Geborgten kann ich jemals irgendjemanden von dieser Reise zurückgeben, auch wenn ich es noch so gerne möchte.
Über dies und andere philosophische Fragen konnte ich mir nun den ganzen Tag Gedanken machen. Wie lange hält man ohne Wasser so aus? Ab welcher Menge wird Thunfisch toxisch? Warum sehen manche Raupen aus, als wären sie beim Pudelfriseur gewesen? Was trinken eigentlich Primatenforscher? Wo ist meine gelbschwarze Kraxe? Vermisst Sie mich auch so wie ich sie? Und wie lange hält noch mein Kameraakku, der schon im Rhythmus meines Kopfschmerzes wild blinkte?
Ich sag ja, nach so viel Aktion ist solch ein Nachmittag nicht unbedingt weniger anstrengend.

Im Nachhinein betrachtet, habe ich aber eigentlich den ganzen Nachmittag die Menükarte vom „Trés Chic“ des Mondika Camps studiert.
Denn am Abend verweigerten wir uns gemeinschaftlich dem Thunfisch und beschlossen, es mit der einheimischen Küche zu versuchen. Tja und im „Trés Chic“ vom Kongo gibt es halt hauptsächlich Raupen. Schön in der Pfanne angebraten mit etwas Lauch und Kräutern und Öl aus der Thunfischdose. Ja, wir waren so verzweifelt, dass wir Raupen gegessen haben und was soll ich sagen? Sie waren vorzüglich. Tausendmal leckerer als Thunfisch. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nicht ganz den Teller aufgegessen habe, da ich immer wieder die Bilder meiner nachmittäglichen Menükarte vor mir hatte und mich nicht ganz vom Kopfkino verabschieden konnte.

Wenn ich nicht so ausgehungert gewesen wäre, wäre ich sicherlich auch nicht so mutig gewesen. Aber manchmal ist Grenzen überschreiten echt cool und ich war ein kleines bisschen stolz auf mich. Dieses Gefühl wurde von der einen Flasche Bier, die die Franzosen uns „borgten“ natürlich verzehnfacht, denn Alkohol auf nüchternen Magen und leere Adern macht Laune. Dank dieser Laune hatten wir dann auch einen geselligen Abend in großer Runde. Wir hatten die Franzosen nun endlich kommunikativ geknackt und sie erzählten und erzählten. Natürlich von den Gorillas, was anderes gab es hier im Jungle ja auch nicht. Aber sie zeigten auch Videos, sangen, tanzten und erzählten von der doch noch schwierigen Aufgabe, die Gorillas vor Wilderern zu schützen.
Sollte ich jemals einen Chinesen erleben, der mit Gorilla-Händen oder einem Pulver aus selbigen handelt, werde ich ganz schnell zum Silberrücken und zerreisse ihn in Stücke. Ich schwöre.
Nach dieser Nacht mit brüllenden Affen…Oder waren es die Franzosen?, ging es für uns wieder zurück an den Sangha-Fluss auf eine letzte Nacht im Kongo, bevor wir wieder zurück in die ZAR wechselten. Mittlerweile glich ich einer Dörrpflaume und selbst beim auswringen wäre ich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein gewesen. Mit meinem halben Liter Wasser auf dem Weg durch die Flussbetten zurück zum Auto zischte es höchsten am Gaumen und das bei tropischen 30 Grad+.
Ich bin ja kein „Ich-beschwere-mich-über-den-Reiseablauf“, schließlich hatte ich ja Abenteuer gebucht und auch reichlich bekommen. Aber diese Wasserknappheit bei einem Tagespreis von ca. 300 $ war dann doch so grenzwertig, dass ich mal eine Beschwerde in Erwägung zog. Was ich nicht wusste, mein deutscher Reisedealer des Vertrauens war schon längst über den alleinreisenden Rucksack, die gebrochene Autoachse und die anderen klitzekleinen Schwierigkeiten informiert und stellte mit jeder Nachricht einen neuen Wiedergutmachungsgutschein für mich aus. Da kam mit der No-Wasser-no-cry-Tatsache noch einiges dazu. Also musste ich nach meiner Rückkehr gar nicht sauer reagieren, sondern brauchte nur von allem berichten und erhielt den Gutschein auf dem Silbertablett aus Thunfischdosenblech.

Unsere Wanderung durch das Wasser haben wir dennoch recht gut überstanden und das Auto brachte uns dann ohne Unfälle nach Bomassa an den Fluss. Wasser gab’s allerdings auch im Auto nicht. Und in Bomassa gab es zwar echte Hütten, mit echten Betten und echten Toiletten aber genauso wenig echtes Wasser. Also gingen wir ins Dorf und versuchten dort unser Glück. Wir erstanden zwei Flaschen Wasser und fünf Tütchen Schnaps beim nächsten fliegenden Händler. Ich hatte ja schon von den Schluckis in Plastetüten berichtet und nun waren wir verzweifelt genug, uns auch welche zu kaufen. Da die zwei Wasserflaschen allerdings die Farbe des Regenwaldwassers hatten, war der Schnaps noch die bessere Alternative und würde vielleicht alles Böse einfach wegätzen.

Wir schütteten alle Desinfektionstabletten, die die Mitreisenden so mit hatten, in die Wasserflaschen und hofften auf ein Wunder. Frei nach dem Motto: Viel hilft viel. Das einzige Wunder war allerdings, dass wir es noch rechtzeitig auf die Toilette geschafft haben und insgesamt dieses Experiment überleben konnten. Wirklich eine blöde Idee, die aber zeigt, wie verzweifelt wir schon waren. Wir wollten einfach nur Wasser, Wasser, Wasser.
Dieser Wunsch blieb mir glatt am nächsten Morgen in meinem ausgetrockneten Rachen hängen. Und als Teaser für den nächsten Teil kann ich nur singen:
„Blame it on the rain, that was fallin‘, fallin‘
Milli Vanilli
blame it on the stars, that did shine at night,
whatever you do,
don’t put the blame on you
blame it on the rain…yeah, yeah
you can blame it on the rain.“
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