Der dritte Tag als Wanderheuschrecke zum Überfall über Ålesund steht an. Wenigstens ist dieses Mal die Stadt etwas größer und hat mehr Einwohner als unser Schiff. Das hat in gewisser Weise etwas Gewissenberuhigendes. So kommt man sich etwas weniger als einfallende Insektenplage vor. Aber wer denkt, wir 6.700 fallen nicht auf, in einer 40.000 Seelen Stadt, der täuscht sich. Es ist überhaupt nicht nötig, ein Aida-Bändchen um den Hals zu haben, um erkannt zu werden. Da sich alle benehmen, als müssten sie die Stadt innerhalb von fünf Minuten erkunden, fällt es eh auf.
Ich habe ja so die wirre Vorstellung, dass an dem Abend vor dem Anlegen, sich alle Anwohner in so einer Stadt wie Ålesund auf einen Schnaps treffen und besprechen, wie sie die einziehende Masse am besten überleben. Ähnlich einer Vorabübung für einen Tsunami. Da wird dann besprochen, dass man schnell noch alle Besorgungen für den nächsten Tag erledigt oder die Regale mit kitschigen und überteuerten Souvenirs füllt. Je kitschiger, desto besser. Gleichzeitig wird ein Notfallplan für die Beschilderung in der Stadt umgesetzt. Vielleicht kann man einige der Wanderheuschrecken ja überreden zu bleiben, wenn man das eine oder andere Hinweisschild einfach umdreht oder entfernt. Etwas Schwund gibt es ja auf so einem Böotchen immer.
Und wenn dann alle Maßnahmen besprochen und umgesetzt sind, bekommt jeder noch einen kurzen Deutschlehrgang, denn es ist ja nicht davon auszugehen, dass sich die Wanderheuschrecken, die den ganzen Tag an Bord wie zu Hause sprechen können, plötzlich mit einer fremden Sprache auseinandersetzen. Und wäre es auch nur das Englische, von Norwegisch ganz zu schweigen. Dabei kommt man mit einem „God Dag“, was schlicht „Guten Tag“ heißt und einem „Takk“, was „Danke“ heißt, so einfach in die Herzen der Wanderheuschrecken-Ertrager.
Und ganz zum Schluss gibt es für jeden noch ein paar Beruhigungstabletten und einen Schnaps mit guten Wünschen, dass doch jeder den morgigen Tag überleben mag.
Gestern jedoch wurde aus der Vorbereitungssitzung in Ålesund eine Krisensitzung. Denn wie wir heute morgen überrascht feststellen durften, lag nicht nur die riesige Aida Nova im Hafen sondern auch noch eine MSC Euribia. Und damit komme ich zu der heutigen philosophischen Frage, nein Aussage des Tages, die schon Millionen von Männern in ähnlicher Form umgetrieben hat.
„Meins ist größer als Deins“
Denn als erstes, wenn man feststellt, dass hier zwei Kolosse im Hafen liegen, stellt sich die Frage, welches Schiffchen, in diesem Fall größer ist. Und jetzt schaut Euch mal selbst in die Augen und gebt zu, dass es auch bei Euch so war. Warum ist die Größe denn nur so verdammt wichtig? Wie immer geht es doch eher um die Technik, das Aussehen und die Leistung. Und ja, ich bin immer noch beim Schiffsvergleich. Aber um ehrlich zu sein, war dies auch unsere erste Frage, als wir von Bord gingen. Und bis jetzt behaupten wir, dass unser Böotchen größer war. Vielleicht nur minimal und vielleicht auch nur aufgrund des Blickwinkels, aber wir haben den heutigen …Längenvergleich gewonnen.
Nach Klärung dieser offensichtlich sehr wichtigen Frage, ließen wir uns erst einmal durch Ålesund treiben. Also versuchten wir erneut, aus der Ameisenstraße auszubrechen. Bei nun heutigen zwei Ameisenstraßen gar nicht so einfach. Ein Ziel war wieder mal der ansässige Hausberg, der mit über 400 Stufen und einem schönen Ausblick lockte. Aber diesen Hinweis im Reiseführer hatten offensichtlich alle nun ca. 12.000 Wanderheuschrecken gelesen und so brauchte man nur gen Hausberg zu blicken, um eine stockende Ameisenstraße auf den beschriebenen Treppenstufen zu sehen.
Doch blöderweise wollte auch ich ein Foto mit Blick auf die beiden riesigen Schiffe, die jedes Haus in Ålesund überragten. Also schlenderten auch wir kreuz und quer durch die Stadt, um letztendlich vor den berüchtigten Treppen zu stehen. Bei ca. optimistisch betrachtet nur 10.000 Menschen, die heute da hoch wollten und Platz für nur 1 Person pro Stufe, bräuchte man die 25fache Länge der Treppe um erst einmal alle Menschen unterzubekommen. Zeitmässig bin ich jetzt einfach zu müde, oder blöd um das auszurechnen. Aber eines steht fest, es ist voll und es dauert. Da brauch ja nur ein Kind mit dem Bock „Ich will jetzt nicht da hoch!“ vor einem in der Schlange zu stehen und das ganze verzögert sich um Tage. Und wir haben aktuell Ferien und viele der anwesenden Kinder würden sicherlich lieber an Bord rutschen, statt den Berg zu erklimmen.
Aber wer Foto will, muss leiden. Oder so ähnlich. Wir jedenfalls wagten trotz all der erwähnten Risiken den Anstieg. Doch wir müssen zugeben, sobald wir dieses Foto in der Höhe von 2/3 der Stufen hatten, traten wir wieder die Rückreise gen Schiff an.







Jetzt nur nichts falsch machen und ins falsche Schiffchen steigen. Aber da passen schon die Security’s auf. Doch ich schätze, trotz der Eindeutigkeit: rechts steht die MSC und links die Aida, gab es den ein oder anderen, der einen Bootswechsel versuchte. An dieser Stelle würde ich an Stelle der Bootseigner doch ein Geschäft draus machen. Einen lockeren Reedereiwechsel für einen kleinen Aufpreis, bis dass sich die Boote wieder treffen. Denkt mal darüber nach, ist vielleicht keine schlechte Idee. Und zumindest meine Neugier was Technik, Leistung und Aussehen beim Größenvergleich angeht, würde gestillt werden.
Zurück an Deck stellte sich nun die Frage, was anfangen mit dem Landtag auf dem Schiff. Also schlenderten wir erstmalig in die Wellness- und Sauna-Abteilung und stellten fest: Ist ja schön dort, aber nur ohne Kind. Also überredeten wir unseren Kurzen zu einer Chill-out-Phase inklusive Nintendo + Ipad-Nutzung auf dem Zimmer, während wir uns mal die Saune „anschauen“ wollten. Erstaunlicherweise freute sich unser Kind über diesen Einfall. Und ich hatte fest damit gerechnet, dass er jede Minute seiner Zeit mit uns verbringen wollte. Ich finde das als Mutter, wie einen Schlag in die Eingeweide. Und kann mich nur damit trösten, dass es nun mit Bademantel und Badelatschen zum Wellness geht.
Und das nutzten wir ordentlich. Herrliche Saunen und Ruhebereiche erwarteten uns und ich wollte gar nicht wieder weg. Außerdem gab’s ein eigenes Außendeck mit Whirlpools und dem Blick auf die Stadt. An den Türen zum Außendeck war dann auch deutlich der Hinweis abgedruckt, dass man draußen zu sehen ist, falls man weiterhin der Meinung ist, die Natürlichkeit des eigenen Körpers zur Schau zu stellen. Ich schätze auch dieses Risiko wird allabendlich vor dem Einlaufen eines Kreuzfahrtschiffes in der Gemeindesitzung besprochen. Für die Anwohner im Sichtbereich werden dann sicherlich noch Schutzbrillen ausgehändigt. Auch ich habe den Hinweis gelesen. Aber habe ich ihn auch verstanden? Das lass ich jetzt einfach mal bebildert zur Diskussion stehen.




Neben dieser Entblößererfahrung saßen wir auch noch das erste Mal im Whirlpool mit Blick auf eine Stadt, die auch noch passender Weise einen Regenbogen zu bieten hatte. Und wir hatten den Whirlpool für uns, da alle anderen am Berg anstanden. So ein schönes Erlebnis! Auch die erste Erfahrung auf einem Lautsprecher zu schlafen machten wir. Also den Teil muss ich jetzt erst noch erklären. In einem der Ruhebereiche stehen solche komischen weißen Liegen. Also draufgelegt und ausprobiert. Man setzt sich noch Kopfhörer auf und ich war sofort wieder gedanklich auf der geilen Silentparty. Doch hier war alles auf Chillen eingestellt und so stellte sich die Liege als großer, anatomisch geformter Laufsprecher heraus, der einen die Musik spüren ließ, ähnlich einer Massage. Es war so entspannend, dass meine Augen zu fielen und ich grunzte. Sorry an die anderen im Raum.
Nach diesen Erlebnissen wollte ich hier bleiben. Aber 2 Stunden ohne Kind an der durchsichtigen Nabelschnur waren nun vorbei und so übernahmen wir wieder die Erziehung. Also alle Geräte ausschalten und die Hausaufgaben machen, die wir blöderweise über die Ferien aufbekommen haben. Liebe Lehrer, gönnt den Kindern mal Erholung. Würde mein Chef mir noch ein paar Aufgaben für den Urlaub aufgeben, würde ich ihm sagen, dass es ein Dauerurlaub wird und er sich eine Andere suchen müsste. Diese Wahl haben unsere Kinder leider nicht.
Den Abend verbrachten wir dann zur Belohnung in der Zeitmaschine und ließen uns beim 3-Gänge-Menü verwöhnen. Haben sie wirklich toll gemacht und wenn man jeden Blödsinn einfach mal mitmacht wird man so auch wieder zum Kind und entdeckt die Welt ganz neu.Jetzt heißt es den chilligen Tag zu Ende bringen und Netz suchen, damit ich endlich wieder veröffentlichen kann…
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