Also wenn hier in Lissabon der Papst etwas zu sagen hätte, so wäre die Heiligsprechung sicherlich gar nicht so weit hergeholt. Denn der Hype um diesen einen Fussballer ist hier unglaublich.
Alles fing schon auf der Fahrt vor zwei Tagen vom Flughafen zur Unterkunft an. Auf dem Flughafengelände lächelte uns gefühlt von jeder Ecke dieser eine Ballkünstler an. Und im Taxi wurde unserem Sohn als Erstes diese Frage ohne wirklichen Inhalt gestellt: Ronaldo oder Messi? Was soll da so ein Neunjähriger denn antworten? Etwa die Wahrheit sagen? Grundsätzlich erziehen wir unsere Kids ja zu wahrheitsliebenden Menschen. Aber wir erziehen sie halt auch zu Überlebenskünstlern. Und in Lissabon den Namen von Messi vor dem von Ronaldo zu nennen wäre einfach lebensmüde. Also antwortete unser Sohn lügengemäß: „Ronaldo“ und kassierte dafür ein breites Grinsen vom Taxifahrer, als hätte Georg eine echte Wahl gehabt. Das Thema Notlügen hat Georg somit ganz ohne Anleitung von selbst verstanden.
Heute sind wir dann diesem Phänomen CR7 etwas weiter auf den Grund gegangen und haben einen dieser unzähligen Shops der städtischen Fussballvereine, FC Porto, Sporting Lissabon und Benfica Lissabon betreten. Dabei muss man gar nicht lange suchen, denn in jeder der vielen Einkaufsstraßen hier in Lissabon gibt es diese Läden. Meist zwei-etagig und sehr groß. Und in jedem dieser Shops steht im Eingangsbereich eine lebensgroße Figur von Ronaldo hinter Glas. Und in jedem dieser Shops steht vor dieser Fake-Figur eine Schlange von Menschen, die sich mit Fake-Ronaldo fotografieren wollen. Wenn man seinen Blick von der wahrlich nicht schönen Nachbildung ablenkt, stellt man im Erdgeschoss fest, dass jedes T-Shirt, jede Hose, jede Jacke, jede Unterhose, jedes Cape die Nummer 7 versehen mit dem Namen von Ronaldo trägt. Und wenn ich JEDE schreibe, dann meine ich das auch so. Dabei spielt es irgendwie keine Rolle, dass eben dieser Fussballer ja aktuell nur in der Nationalmannschaft spielt, gerade auf der EURO 2024, und ansonsten irgendwo weit ab seiner Heimat für unverschämt viel Geld für die Vorbereitung seines Altersruhesitzes gelegentlich gegen arabische Kleinstvereine kickt. Mit Portugal und dem Lissaboner Fussball hat er recht wenig am Hut. Läppische 6 Jahre hat er hier Fussball gespielt, nur maximal 2 davon bei Sporting Lissabon, wo er gerade mal 3 Tore geschossen hat. Seine gesamte Karriere hat er ansonsten außerhalb von Portugal verbracht, wenn nicht gerade ein Länderspiel stattfand.
Wenn ich also jetzt ein aktueller Fussballer von Sporting Lissabon oder Benfica oder Porto wäre, wäre ich echt sauer, dass ich weder im Erdgeschoss, noch in der oberen Etage eine Erwähnung auf nur einem T-Shirt finde. Als hochklassiger Fussballer von Lissabon wäre ich hier offensichtlich schon der Hit, wenn ich zumindest in der hintersten Ecke auf einer Unterhose verewigt wäre. Ich finde, das reicht jetzt bestimmt nicht gerade zu einer Vertragsunterschrift. Will man sich dagegen auf den Fussball konzentrieren und sich vor der Öffentlichkeit verstecken, ist ein Lissabonner Fussballverein der Richtige.
Somit ist dieser Personenkult doch recht herabwürdigend für alle anderen. Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dies Ronaldos Idee war. Aber egal, auch unser Sohn vergaß, ob der vielen CR7-Hinweise, dass eigentlich zu Hause ein mannsgroßes Bildnis von Messi in seinem Zimmer hängt und wollte nun ein CR7 T-Shirt als Erinnerung an Lissabon. Ich muss ja zugeben, wenn man die Souvenirshops zugrunde legt, gibt es zur Souvenirauswahl eh nur Fliesen, Sardellen und CR7. Also kann ich seinen Sinneswandel irgendwie verstehen. Und damit wir auch ja nicht vergessen, um welchen Fussballer es hier primär geht, bekamen wir dann noch eine Maske mit dem Konterfeit von Ronaldo geschenkt dazu. Somit ist er nun offizielles Mitglied unserer Reisegruppe und immer wenn wir CR7 brauchen, ist er da. Vielleicht öffnet es uns ja einige Türen oder ganze Tore? Wir haben zumindest schon die dazu passenden Posen geübt und ich schätze, es besteht Verwechslungsgefahr, wenn wir in den nächsten CR7-Shop oder in das nächste CR7-Restaurant gehen. Die gibts hier nämlich auch noch an jeder Ecke.
Aber Ronaldo hin oder her, man kann hier in Lissabon echt noch andere Dinge sehen und erleben. Und so fuhren wir nach dem kurzen Shopping mit dem Hop-on-Hop-off zum Expo-Gelände von 1998, genauer gesagt zum Ozeanarium. Dieses hier zählt zu einem der größten Aquarien der Welt und ich muss zugestehen, dass wir auf große Aquarien stehen. Allerdings waren wir da heute auch nicht ganz alleine mit dieser Vorliebe. Dank der bevorstehenden Ferien hier in Portugal geht es den Grundschülern nicht anders, als unseren Kids eine Woche vor der Zeugnisausgabe. Sie verplempern auch hier die Zeit und gehen zum Beispiel ins Ozeanarium. Überall waren Schulklassen zu sehen, die einen durchgängig mit roten Basecapes, die anderen mit gelben und wieder andere mit einheitlichen Pollundern. Eigentlich eine clevere Idee, die ich nach den Ferien mal in unserer Schule als Verbesserungsvorschlag abgebe. So braucht man nur nach der Kopfbedeckung schauen und findet seine Kids locker wieder. Im Aquarium habe ich aber gelernt, dass für eine wirkliche Sinnhaftigkeit noch eine kleine Leuchtdiode auf dem Basecape in der jeweiligen Farbe sinnvoll wäre. Denn so ein riesiges Aquarium ist vor allem eines, stockfinster, damit man auch ja die Fische schön beobachten kann.
Uns störte das wenig, den wir verlieren uns nicht so leicht. Stattdessen genossen wir das riesige Aquarium in vollen Zügen. Neben dem wirklich großen Mittelbecken, voller Haie, Rochen und einem Mondfisch und neben den vielen anderen Fischen, gab es für die verschiedenen Ozeane noch je einen Außenbereich mit Pinguinen, Mangroven und Puffins und unserem absoluten Highlight auf dieser Tour: Einem völlig gechillten Otter, der rücklings auf dem Wasser trieb und sich dabei auf die zuckersüßeste Art putzte und graulte. Wir waren nicht die Einzigen, die hier ihr Herz verloren. Nein, alle Zuschauer stöhnten: „Oh wie süß!“. Was auch der Souvenirshop am Ende unterstrich, wo es alle Varianten dieses Otters gab. Aber Plüschtiere haben wir schon genug. Deshalb überlegen wir nun, wir wir eine naturgetreue Umgebung für Otterli zu Hause herrichten können. Mal sehen, was aus dem Plan „besonderes Haustier“ wird. Ich persönlich würde mich ja dann genau neben ihm treiben lassen und meinen Bauch graulen, auch wenn das deutlich weniger „süß“ wäre.
Nach dem Aquarium fühlten wir uns spontan an unsere Ski-Urlaube erinnert. Denn hinter dem Gebäude, direkt am Fluss, steht eine Seilbahn. Hier ist nun ausnahmsweise mal kein Berg in der Nähe, dafür aber eine Seilbahn. Verstehe das wer will, ich nicht. Aber dieses Unverständnis hält uns noch lange nicht davon ab, in der Gondel herauszufinden, warum es hier diese Seilbahn gibt. Also eingestiegen, die nicht vorhandenen Skier mal symbolisch eingehangen und ab in luftige Höhen. Okay, man hat für die ca. 10 minütige Fahrt eine nette Aussicht so 50 meter über dem Boden. Man sieht den breiten Fluss und kann über das Expogelände stieren. Aber damit hat sich auch das Erlebnislevel dieser Aktivität erschöpft. Und ganz nebenbei: nicht ein Fitzelchen Schnee haben wir entdeckt. Also stiegen wir am anderen Ende wieder aus, übrigens auf gleicher Höhe wie der Einstieg, was eine Bergbahn echt zur Absurdität macht, und liefen weiter zur Bushaltestelle. Dort mussten wir leider etwas warten, was in mir den Wunsch nach einer Bergbahn zurück in die Stadt wachsen ließ. Aber vom Wünschen allein kommt man halt nicht weiter und so warteten wir geduldig weiter.
Nun hieß es langsam verabschieden von dieser schönen Stadt. Ein letzter Bummel, ein letzte Pasteis de Nata und ein letzter Powernap bevor die Abendtour beginnt. Ein paar Punkte standen allerdings noch auf unserer ToDo-Liste. So zum Beispiel einer dieser Kioske mit Ausblick aufs Meer und einem schönen Gläschen Rotwein zu typischen Snacks der Region. Und was natürlich auch nicht fehlen durfte, war die Fahrt mit der historischen und typischen Straßenbahn hier in Lissabon. Bisher hatte uns so einiges von einer Mitfahrt abgehalten. Zuerst einmal die vielen, vielen Touristen, die den gleichen Gedanken hatten. Am Haupteinstiegspunkt in der zentralen Stadt stehen tagsüber Schlangen von locker 500 m Länge. Und in jede Bahn passen gepresst vielleicht 20 Leute? Da muss man viel Geduld haben und wir zählen wirklich nicht zu den geduldigsten Menschen dieser Welt. Selbst, wenn man irgendwo anders einsteigen will, braucht man Glück und muss immer damit rechnen, dass man als dritthäufigstes Souvenir von Lissabon endet, nämlich als Sardine in der Büchse und in diesem Fall mit der Nase in der Achselhöhle eines schwitzenden Touristen aus Irgendwo. Alles Dinge, auf die ich so gar keinen Bock habe. Also hielten wir bisher immer Ausschau nach den Bahnen, fanden aber nie die Richtige für uns. Bis zum heutigen Abend. Nachdem wir unsere Abendstimmung mit einem Glas Rotwein genossen hatten, wollten wir den Rückweg antreten. Und genau da hielt gegenüber eine der Bahnen und war tatsächlich nahezu leer. Also schnell einen Sprint eingelegt und rein in die Bahn für eine letzte Spritztour.
Und ich muss sagen, es fällt schwer sich von Lissabon zu verabschieden. Diese abwechslungsreiche Stadt hat uns eingefangen mit der tollen Architektur, den befliesten Gebäuden, dem südländischen Charme und den unendlichen Möglichkeiten. Wir kommen bestimmt wieder. Das kann als Drohung verstanden werden.









































Ja, Lissabon kann man lieben lernen. Wir kommen auch gern wieder dort hin. Um Cristiano gerecht zu werden und nicht in die Nähe der „Hater“ zu geraten, ist ein Besuch von Funchal auf Madeira eine geeignete Sache. Dort ist das Thema CR7 bestens aufgehoben.
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