27. Juni 2024 – Hölle, Hölle, Hölle

Allen, die mir zum Geburtstag Glück und Gesundheit gewünscht haben, ich kann Euch nur sagen: DANKE!. Alle, die gestern ihren persönlichen Schutzengel vermisst haben, sage ich es auch: DANKE! Denn die waren ganz offensichtlich alle bei mir. Heute wird es mal kein Blogeintrag voll mit schwarzem Humor und lustigen Passagen, sondern ein sehr nachdenklicher.

Wir hatten auch gestern diese Erlebnisse, die uns schmunzeln lassen, aber ich werde heute nicht in der gewohnten Art darüber schreiben, denn dieser Eintrag ist meinen Schutzengeln gewidmet.

Wir starteten in den Tag mit einem gemütlichen Frühstück, knackten die Tücken der Appartement-Kaffeemaschine und packten alles ein, was man für eine schöne Wanderung auf den Azoren benötigt. Das heißt etwas für Sonne und etwas für Regen, etwas für Wind und etwas für eine Mischung aus Allem. Und so ging es erst einmal mit dem Auto 15 Minuten nach Remédios zum Eingang in die Tour zum Janela do Inferno oder dem Höllenfenster. Der Name hätte mich stutzig machen sollen. Doch zu diesem Zeitpunkt ahnte ich nicht, dass es mein Höllenfenster werden würde. Einfach nur dem gelb-roten Weg folgen und die Natur genießen. Und die Natur hier ist der pure Wahnsinn. Alle paar Meter steht ein Hortensienbusch und wenn ich Busch sage, dann meine ich in diesem Fall Dimensionen, wie Hecke oder Baum. Und alle stehen in voller Blüte. Die Straßen sind gesäumt von diesen Pflanzen. Die Hortensienblüten selbst sind ja eh recht groß, aber hier sind sie riesig. Selbst mein Dickschädel ist teils kleiner als die Blütenstücke. Ich kann mich kaum satt sehen. Dazu kommen noch Lilien und Tausend andere blühende Pflanzen so weit das Auge reicht. Das lenkte mich dann auch ordentlich von der anfänglichen Steigung ab. Wir durchquerten Wege, die links und rechts eine Meterhohe Mauer aus Hortensien hatten und näherten uns einem ersten kleinen Wald.

Und schwups waren wir im Dschungel bzw. Regenwald. Das nahm der Wald dann auch wörtlich und wir erlebten unser erstes azorischen Wetter, was wenig mit dem Azorenhoch zu tun hatte. Es goß ordentlich, aber der Wald bot uns etwas Schutz. Und so durchquerten wir ein Dschungel-Tal mittels einer sehr rustikalen Brücke ohne Geländer. Schon der erste Test, ob die Schuhe genügend Grip haben.
Nach diesem Tal überquerten wir einen ersten Viaduktbogen, noch recht klein, größere würden folgen. Und dann kam laut Beschreibung der erste Tunnel, den wir aber nicht fanden. Hilfreich war da auch nicht, dass es in Strömen goß und der Internetempfang uns ausnahmsweise mal im Stich ließ. Denn eigentlich haben wir hier ein hervorragendes Netz, wenn man bedenkt, dass wir auf einer Insel mitten im Ozean hocken. Also mal schnell unterstellen und darauf hoffen, dass sich uns der Weg offenbart. Tat er auch, denn direkt neben dem Schutz spendenden Baum befand sich der Eingang zum Höhlentunnel. Als rund 80 Meter lang und max. 150 cm hoch wurde er uns angekündigt. Also Taschenlampenfunktion aktivieren und Kopf einziehen. Da drin war es dunkel wie in einem Bärenarsch und da es auch einige Pfützen gab, konzentrierten wir uns auf den Fussboden, statt auf die Decke. Blöder Fehler! Nach zwei Beulen waren uns die nassen Füße egal und wir achteten eher darauf, unsere Köpfe zu schützen. Man glaubt nicht, wie lang manchmal 80 Meter sein können, wenn man diese in der Halbhocke absolvieren muss.

Kaum draußen angekommen stellten wir fest, dass hier an unserem Ausgang eigentlich der Eingang war, den wir vorher nicht gefunden hatten. Dass hatte allerdings zu bedeuten, Kommando zurück und nochmals durch den Tunnel. Lernfähig wie wir sind, schafften wir es dieses Mal ohne Beule. Nun sahen wir auch wieder den eigentlichen Wanderweg und zogen weiter durch diesen herrlichen Wald voller Riesenfarne, Sträucher, Palmen und Viadukte. Entweder ging es unter dem Viadukt durch, oder oben drüber, einmal auch durch einen Tunnelgang daneben hindurch. Und das alles bei Regen. Ein herrliches Abenteuer und wir sahen mittlerweile aus wie die Schweine, hatten aber viel Freude dabei.

Nach ca. 2 Stunden kamen wir dann endlich am Höllenfenster an und pünktlich zum finalen Ziel hörte es auf zu regnen und die Sonne kam raus. Also Kamera raus aus dem Rucksack und fotografieren, was so ein Höllenfenster als Ausgang für einen Wasserfall zu bieten hat. Rechts von dem Wasserfall konnte man sogar auf halber Höhe hinter den Wasserfall laufen und so durch den Wasserfall sehen. Hab ich natürlich gemacht, als zertifizierte Wasserfallfotografin. Doch auf dem Rückweg von dort passierte es. Georg spielte an der Felsmauer mit Blättern und dem herunter rieselnden Wasser und ich versuchte zurück zu ihm zu gelangen. Dabei erwischte ich einen blöden falschen Stein, der zu klitschig war und mir die Beine wegriss. Hinter mir war der Abgrund vom Wasserfall und unter mir das Auffangbecken umrandet von Geröllsteinen. Ich versuchte in dem Moment, als ich nach hinten fiel noch eine Liane zu greifen, aber mit meinem schweren Fotorucksack riss es mich einfach nur nach hinten und unten. Und so fiel ich ca. 3 Meter hinab und landete hart auf den Steinen. In diesem Moment müssen einfach alle Schutzengel bei mir gewesen sein, denn irgendwie schaffte ich einen ganzen Salto rückwärts, sodass ich irgendwie auf Beinen, Po und Rucksack landete, statt auf meinem Kopf. Die Kamera schlug in meiner Hand hart auf den Steinen auf, doch es interessierte mich nicht, denn ich wollte nur spüren, ob ich noch lebe und ob und wie ich mich verletzt hatte. Als erstes jedoch hörte ich Georg oben weinen und nach mir schreien, deshalb ignorierte ich all den Schmerz und rief hoch: „Georg, Mama geht es gut! Alles wird gut!“. Im gleichen Moment rannten Swen und noch ein anderer Tourist runter zum Wasserbecken und sprangen mit allen Klamotten rein, um mir zu helfen. Ich saß auf den Steinen und versuchte mich zu beruhigen. Mein rechter Arm tat weh, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass ich mich schwer verletzt hatte. Ich konnte alles bewegen und fühlte nur Schmerzen. Also versuchte ich hoch zu kommen und glitt in das kühle Wasser unter mir in die Arme von Swen. Als ich dann am Ufer stand versuchte ich als allererstes Georg zu trösten, denn er war völlig aufgelöst. Er hatte mich fallen sehen und konnte seine Panik nicht kontrollieren. Deshalb ignorierte ich meine Schmerzen noch und kümmerte mich um ihn. Erst als er etwas ruhiger war, schaute ich mir mich an. Ich war offensichtlich mit der rechten Seite aufgeschlagen. Ein heftiger Bluterguss an der Armrückseite und mehrere an den Beinen kamen sofort zum Vorschein und alles tat höllisch weh. Aber bei all dem Schmerz registrierte ich, dass ich unheimliches Glück gehabt hatte. Es hätte an der Stelle und mit dem Flug ganz anders enden können. Diese Erkenntnis hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Wir sind dann noch den ganzen Weg zurückgelaufen, blieb uns ja nichts anderes übrig. Und ich habe die ganze Zeit versucht, immer wieder Georg zu beruhigen. Dabei arbeitete es in meinem Kopf und ich spürte diese innere Panik. Doch auch die Dankbarkeit und die Erleichterung.

Warum ich das hier so schreibe? Weil es meine Art ist damit umzugehen, ich mir Dinge aus dem Kopf schreiben kann, damit sie mich nicht unendlich belasten. Doch auch, weil ich so auch meine Dankbarkeit zeigen kann. Auch wenn mir vorgeworfen wird, dass ich als Fotografin sicherlich immer mal Risiken eingehe für das Beste Foto, kann ich dieses Mal sagen, das war gar nicht so. Aber so schnell kann halt ein unbedachter Moment zu solch einem Unfall führen. Und ich bin einfach nur dankbar, das mein Körper wohl instinktiv in diesem Fall die richtige Position eingenommen hat und ich mit nur reichlich Aua und furchtbar blauen Flecken überlebt habe. Passt alle immer auf Euch und Eure Lieben auf! Die anderen Touristen, die mich haben fliegen gesehen bzw. gehört haben, bescheinigten mir alle: “ You were lucky!“ und ich glaube das trifft es: ich hatte unglaubliches Glück!

Morgen geht es zu neuen schönen Erlebnissen auf den Azoren, falls ich mich dann noch bewegen kann. Denn aktuell tut einfach alles weh. Trotzdem gibt es noch einen kleinen Abendspaziergang, um das Leben zu feiern.

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