1. Juli 2024 – kurzer Ausflug ins chinesische Wellenbad

Ich muss mal kurz teilen wie schön es hier auf Sao Miguel ist, Blog zu schreiben. Manchmal mache ich es abends, manchmal früh, aber immer mit dem Blick aufs Meer, einem passenden Getränk vor mir und an der frischen Luft. Sperrt mich hier bitte für ein paar Monate weg, denn dabei könnten so einige Bücher entstehen. Jetzt gerade schreibe ich in der angenehmen Morgenfrische zum gestrigen Tag. Der Himmel ist leicht bewölkt, ganz typisch für die Azoren und ich trinke meinen 2. Kaffee. Im Hintergrund läutet die Kirchenglocke von Lagoa die Zeit und auf dem Meer fahren nur wenige Boote. Ich glaube, ich bin verliebt.

Das liegt aber nicht nur an einem Morgen wie heute, sondern auch an einem Tag wie gestern. Wir hatten uns die Westseite vorgenommen mit dem Touristenmagneten und Fotospot, den wohl die meisten bei der Google-Suche nach den Azoren als Erstes entdecken: Cete Citades mit dem Vista do Rei. Die Sonne hatten wir pünktlich bestellt für diesen Tag und sie war auch erschienen. Denn für DEN Fotospot braucht man einfach ein paar Flecken blauen Himmels. Wer uns kennt weiß, dass der Weg das Ziel ist und so steuerten wir als erstes eine Ananas-Plantage in Ponta Delgada an und erfüllten damit unsere pädagogischen Aufgaben ganz nebenbei. Denn die männlichen Mitglieder in unserer Runde dachten bis dato, dass die Ananas auf der Ananaspalme hoch in der Luft wächst. Im Falle meines 9-jährigen Sohnes habe ich für diesen Irrtum ja noch vollstes Verständnis. Aber Swen? Nach Dutzenden Pina Coladas in seinem Leben wäre ja anzunehmen gewesen, dass er diese Frage schon mal gegoogelt hat. Aber nein, auch seine Wissenslücke konnten wir hier auf der Ananasplantage schließen. Und für diesen Zweck hat sich auch der Besuch gelohnt, denn wir sahen die verschiedenen Phasen des Wachstums und wissen nun, dass es bis zu zwei Jahren dauert, bis die erste Pina Colada ein Schirmchen tragen kann. Ganz schön zeitaufwendig das Ganze.

Als nächstes wollten wir eigentlich in die Gruta do Carvao, einem sehenswerten Tunnelsystem. Ich hatte mich vorab erkundigt für die etwas längere geführte Tour, doch nach einem ausführlichen Mailverkehr mit den Betreibern mich dagegen entschieden. Hier ist nämlich die Freude an engen Räumen unabdingbar und die habe ich nicht. Es wird wohl teils sehr eng und man muss durch Passagen kriechen. Alles nichts für mich und mein Gemüt. Wenn ich nicht schnell umkehren kann, sondern tendenziell feststecke, reagiere ich mit Panik. Ich sehe mich dann immer mit einem unpraktischen Kleidungsstück irgendwo festhängen, was es mir unmöglich macht, den Rückzug anzutreten. Gleichzeitig kriecht ca. 5 cm vor meiner Nase, damit die Kurzsichtigkeit es noch wahrnimmt, eine Spinne vor mir rum und lacht mich aus. Also ehrlich gesagt, kann ich mit dieser Vorstellung überhaupt nicht umgehen.
Also lieber auf die kurze Tour ohne Feststeck-Risiko konzentrieren. Doch auch das wurde leider nichts, denn es dürfen jeweils nur 15 Personen in die Gruta und somit ist das Ganze schnell ausgebucht. Also am Besten beim nächsten Besuch 2-3 Tage vorher anrufen und reservieren. Auch ich lande nicht immer einen Treffer bei meinen Vorbereitungen.

Doch das ärgert uns nicht die Bohne und so peilten wir nun den Vista do Rei an und zwar über die Passage des Pico do Carvao. Wieder eine Aneinanderreihung von Miradouros und Viewpoints wie an der Perlenkette. Bis zum Viadukt Mata do Canario fanden wir auch noch entspannt Parkbuchten an den Aussichtspunkten. Dieses Viadukt war übrigens ganz verwunschen, über und über bewachsen mit Moos und Flechten und kleinen blühenden Gräsern, und sah damit aus wie aus einem Märchen entsprungen. Da es hier recht windig und kühl war, machten wir hier heute keine Wanderung. Aber das heißt nicht, dass der ein oder andere Umweg für gute Fotos nicht erlaubt ist.

Ab dem Lago do Canario wurde es etwas voller und ich war mal wieder überrascht, wie hart sich manche anstellen beim Einparken. Da wird die ganze Straße blockiert nur weil eventuell, unter Umständen in der nächsten Stunde jemand auf der rechten Seite seinen Parkplatz freigibt. Kann ja klappen.
Stellenweise war es dadurch, sagen wir mal, mit einem erhöhten Stresslevel versehen. Würden alle einfach weiterfahren bis zum Ende der Parkreihe und damit mal 200 Meter mehr Weg in Kauf nehmen, wäre alles deutlich entspannter. Aber es muss ja immer der Parkplatz ganz vorne sein. Wir jedenfalls zogen weiter zum Vista do Rei hoch auf dem Kraterrand. Von dort aus hat man genau das Postkartenmotiv, was man überall sieht und kaufen kann. Eine alte Hotelruine hat sicherlich noch den besseren Ausblick, ist aber „eigentlich“ gesperrt für die Selfi-Jäger. Das „eigentlich“ scheint gelegentlich eher Ansporn als Abschreckung zu sein, denn es streunten gleich Dutzende Menschen durch das Gebäude, um den noch besseren Aussichtspunkt zu finden. Wir waren mit dem offiziellen Aussichtspunkt durchaus zufrieden. Vor uns die klassische Hortensienhecke und unter uns der Lagoa Verde und der Lagoa Azul. Ein Träumchen von Aussicht, kann ich nur sagen. Der Lagoa Verde machte seinem Namen alle Ehre, denn er leuchtete Grün, da wo die Sonne einen Weg durch das Wolkendach fand. Und der Lagoa Azul leuchtete in diesem Azoren-Blau, wie wir es lieben. Ein Phänomen und ich konnte fotografisch nicht genug davon bekommen.

Dann fuhren wir hinunter ins Kraterinnere an die Seen und gönnten uns ein schönes Mittagessen direkt am See in der Sonne. Ein guter Moment, um über die weitere Tagesgestaltung zu sprechen. Da hatten wir das Team Teufelchen auf der Schulter, dass unbedingt noch etwas wandern wollte und auf der anderen Seite saß Team Engelchen, was sich nach einem weiteren Thermalbad und damit nach einem faulen Nachmittag sehnte. Team Engelchen hat gewonnen und so peilten wir die Thermas da Ferraria bei Ginnetes an. Laut Reiseführer gibt es hier einen Naturpool am Meer, der bei Niedrigwasser durchaus 28 Grad erreicht. Wieder einmal durch die thermischen Aktivitäten hier in dem Gebiet. Da wir weder wussten ob Niedrigwasser vorlag, noch 28 Grad für außerordentlich warm hielten (der Pool hat schließlich ähnliche Temperaturen zuhause), waren wir recht verhalten in unserer Vorfreude auf diesen Naturpool. Aber wir haben uns getäuscht und das in allen Belangen.

Zuerst einmal beeindruckte die Anfahrt mit einer wirklich steilen Serpentinenpassage hinab ans Meer. Sofort war zu erkennen, dass sich hier die Lava ihren Weg gebahnt hatte. Alles war schwarz wie die Nacht und die neuen grünen Triebe zwischen dem Schwarz leuchteten dafür umso mehr. Hier haben wir dann auch unserem Instinkt vertraut und nicht den erstbesten Parkplatz oben am Berg genommen, sondern sind bis ganz unten gefahren, wo tatsächlich noch einige Plätze frei waren. Und dann ging es mit dem Badeanzug in der Hand über das schwarze Gestein hin zum Naturpool. Auf dem Weg trafen wir noch unseren Guide vom Canyoning, der uns aufgrund der Wiedersehensfreude gleich mal umarmte und berichtete, dass man am Pool um sein Überleben und seinen Platz kämpfen muss. Als wir dann den Pool sahen, wussten wir, was er meinte. Es war verdammt voll im Wasser. Und ich hatte sofort eine Assoziation. Kennt ihr die Video’s von dem chinesischen Wellenbad, wo man vor lauter Menschen gar kein Wasser mehr sieht? Genauso bzw. annähernd so war es hier. Nur ohne Chinesen.

Doch nun waren wir schon hier, also rein in das scheinbar angenehme Wasser. Ich rede mir einfach ein, dass es total toll sein muss, wenn so viele Menschen Körper an Körper in einem Becken hocken und das freiwillig. Wenn man drauf schaut, hat es etwas von einem Wimmelbild, wenn ich mich mal von der chinesischen Wellenbadvorstellung lösen möchte. Man musste sogar anstehen, um an der Leiter ins Wasser zu kommen. Offiziell gibt es ja eine Einstiegs- und eine Ausstiegsleiter, also System Einbahnstraße. Aber das scheinen die Badenden alle zu übersehen. Irgendwann tippe ich dann doch irgendwann meinen Fuss ins Wasser und ich muss sagen, bei weitem waren es keine 28 Grad, wie im Reiseführer angepriesen. Es war viel, viel wärmer. Ich würde sagen, dass es in der Mitte des Pools locker 35-38 Grad waren und es gab sogar Teile des Pools, Richtung Festland, die noch deutlich heißer waren. Hier war es dann auch leerer, komisch. Es war so heiß, dass sich dort keiner freiwillig kochen lassen wollte. Da wir es aber immer noch mit dem offenen Meer zu tun hatten, gab es natürlich auch eine Strömung. Und damit dieses Menschenknäuel in Badehosen nun nicht durch die Strömung durcheinander gerät, waren überall Seile zum Festhalten gespannt. So musste man nur Körperkontakt mit der Nachbarperson halten und nicht mit dem gesamten Menschenknäuel. Eine verrückte Erfahrung für uns alle. Das Gefühl im Wasser war total schön und entspannend. Nur dürften es für unseren Geschmack gerne auch weniger Menschen sein. Aber so ist das halt mit den schönen Orten auf dieser Welt. Es wollen immer noch andere außer uns hin.

Insgesamt kann ich diese Erfahrung aber nur empfehlen. Die heißen Ecken haben wir echt nicht geschafft, ohne dass unsere Haut nach knusprigem Hähnchen roch, dafür sind wir dann immer zwischen dem heißen Teil und dem offenen Meerausgang hin und her getrieben. Das hatte was von Wechselbad und war total schön. Als uns die Menschen dann einfach zuviel wurden, sind wir an der Lavaküste zurück zum Auto gelaufen und haben noch einige schöne Ausblicke genossen.
Und schlussendlich saßen wir zu Hause vorm Ipad und schauten zum Abschluss des tollen Tages noch wie jeden Abend Fussball. Schließlich hatte gestern Ronaldo seinen Einsatz und wir sind in Portugal. Also was sollte man sonst an einem Abend machen. Tooooor!

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