Blitzen und Vixen kommen nicht hinterher

Und bitte immer daran denken, dass ich den Rentieren nicht die Namen gegeben habe. Das war der Weihnachtsmann oder seine Gattin. Dafür habe ich nun gelernt, dass Vixen die Füchsin bedeutet und freue mich, anderen die Bildungsrandgebiete gefüllt zu haben. Bildungslücken würde hier viel zu kritisch klingen.

Wir jedenfalls schliefen nach einer langen Nacht voller Nordlichter-Feuerwerk am Himmel und der Verarbeitung dieser Eindrücke mit einem Glas Wein schön lange aus. Es treibt uns hier ja so gar nichts. Die Skipisten machen erst gegen 10 Uhr auf, aber dafür kann man die Lifte bis 19 Uhr benutzen. Was einer deutlich längeren Pistenzeit entspricht. Selbst die Langlaufpisten sind bis spät Abends beleuchtet. Und wenn man auch meint, dass es hier ja eh nur dunkel ist im Winter, so kann ich dem widersprechen. Die Sonne geht 8:30 auf und 16:30 unter und dazwischen ist es genauso hell, wie in anderen Skigebieten. Hinzu kommt, dass wir heute auch noch einen wunderbar sonnigen Tag hatten.

Das Einzige was im Vergleich zu Österreich natürlich fehlt, sind die Alpen. Also dieses riesige Bergpanorama mit unendlich vielen Gipfeln, soweit das Auge trägt. Hier im allergrößten Skigebiet Finnlands hat man genau einen Berg. Der ist genau 729 Meter hoch und damit ungefähr auf Höhe der ersten Apres Ski Bar in den Alpen. Dafür ist er dank der kegeligen Form von allen Seiten befahrbar. Also keine sinnlos langen Bergketten, aber wer braucht das schon. Dafür kann man hier so vieles mehr machen. Wie zum Beispiel Snowmobile fahren.
Wir mussten uns ja gestern nach der Schlittenfahrt von Georg ziemlich lange sein Ningeln anhören: 

„Warum darf ich nicht selber fahren? Ich kann das garantiert. Kann ja schließlich auch Fahrradfahren. Das ist soooo ungerecht.“

Da könnte man meinen, es gibt vernünftige Antworten auf diese Fragen und Einwände. Doch wenn das Kind diese nicht hören will, kann man auch ein Gedicht rückwärts in chinesisch vorlesen und erntet genauso wenig Applaus. Wir jedenfalls erklärten Georg, dass man einen Führerschein braucht und ernteten dafür ein: „Ich hab doch meinen Fahrradführerschein gemacht!“. Dann argumentierten wir mit in der Realität stattfindenden Polizeikontrollen mitten auf dem zugefrorenen See und dass die Polizisten einen AUTO-Führerschein sehen wollen. Auch das rauschte durch Georg’s Ohrkanal, ohne wahrgenommen zu werden. Mal ehrlich, wie stur können Kinder eigentlich sein?

Doch wir haben ja Urlaub und wir sind im Winterwonderland. Also erschaffen wir, die resignierten Eltern, mal schnell hurtig ein kleines Wunder für unseren Sohn. Denn es gibt tatsächlich Möglichkeiten, dass auch Kinder solche Motorräder mit Skiern statt Rädern fahren dürfen. Allerdings nur in einem abgegrenzten Gelände, ohne diese Polizisten in der Nähe. Sozusagen in einem Übungsparcourt. Also packten wir unser launisches Kind ein und fuhren an den See gleich ums Eck, wo wir ein Kindersnowmobile für 30 Minuten reserviert hatten.
Kaum dort angekommen unterhielt sich unser Sohn in feinstem Englisch mit dem einweisenden Guide und wir staunten Rentiere. Gerade war er doch noch ein Baby und jetzt unterhält er sich mit jemanden in Englisch? Ist scheinbar doch schon größer und selbständiger, als wir manchmal wahrnehmen wollen.

Daher standen wir alten Eltern auch nur am Pistenrand und zückten die Taschentücher, als unser Sohn erstmals den Gashebel mit der rechten Hand betätigte und blitzschnell losdüste, durch die Winterlandschaft. Fühlte sich wie eine Verabschiedung ins Erwachsensein an. Die erste Runde war noch etwas holprig im Spiel zwischen Gas und Bremse, ging aber gut. In der zweiten Runde ging es schon deutlich flüssiger und schneller. Und den Beginn der dritten Runde kommentierte er mit einem zugerufenen: „Das ist so geil…“. Danach sahen wir nur noch den Schnee hinter ihm aufwirbeln und hörten gelegentliches Jauchzen.
Das sah aus, als würde er mit seiner neuen Harley Runden drehen und ich bereute schon jetzt, meinem Adrenalin-Junky solch ein tödliches Instrument in die Hand gegeben zu haben.

Nach x-Runden kam dann das, was in der Genetik des Mannes tief verwurzelt ist. Nach Routine kommt nämlich immer Übermut. Also wurden die Runden schneller und schneller und die Kurven enger und enger gefahren. Es kam wie es kommen musste, Georg verpasste eine Kurve, landete mit seinem Snowmobile im Tiefschnee und wurde formschön abgeworfen. Das wiederum war für ihn und vor allem mich sehr amüsant. Für mich hauptsächlich deshalb, weil nun Swen die Rettungsmission aus dem Tiefschnee begleiten durfte. Also stapfte er durch den Schnee und verschwand gelegentlich bis zum Oberschenkel im selbigen. Das Snowmobile bekam er nur wieder auf die Fahrbahn indem er zog, wie an einem Ochsenschwanz. Georg stand daneben und schmunzelte noch über seinen Sturz und der Guide gab Swen genaue Anweisungen ohne selbst ins Schwitzen zu geraten. Ach ja, und ich fotografierte. So hatten wir wirklich alle einen schönen Moment, der nur noch getoppt wurde, als Swen seine Stiefel voller Schnee ausleerte.

Georg absolvierte noch seine letzten Runden vor der Anmeldung zum MotoGP und wir hatten wieder ein strahlendes und glückliches Kind. Mal sehen, wann der nächste Hormonschub kommt.
Danach spazierten wir noch über den zugefrorenen und eingeschneiten See und ich probierte einen Trend von Insta – den ich kürzlich gesehen hatte – mit Sohnemann aus. Man nehme seinen Kopf und ditscht ihn in den Schnee und erhält lustige Schneegesichter. Funktioniert auch, wenn man danach den Schnee im Gesicht hat.
Eigentlich wollten wir auch noch eine Schneeballschlacht machen, aber der Schnee ist hier so trocken, dass einfach nichts zusammenklebt. Da hilft halt nur Kopfüber in den Schnee dippen, was mindestens genauso Spaß macht.

Weiter ging es auf die andere Seite vom Ylläs, wo wir auch endlich die ersten Rentierherden im Gehege entdeckten. Falls sie jemand nicht auf Anhieb sieht, haben die Finnen noch ein überdimensioniertes Rentier auf den Parkplatz gestellt. Erinnert mich irgendwie an Amerika, wo auf jedem Parkplatz entlang der Highways irgendetwas überdimensioniertes stand. Nur so konnten Tankstellen und Diners mit Hilfe von Dinosauriern oder ähnlichem auf sich aufmerksam machen. Hier hätte die Natur zum auf sich aufmerksam machen schon gereicht.
Wir jedenfalls wanderten zum See, der welch Wunder zugefroren war und eine wahrer Highway für Langläufer, Snowmobile, Fatbikes und uns Fußgänger. Nur ein kleines Loch gab es im See und da sprangen kaum bekleidete Saunagänger hinein. Ich sags doch, die Finnen spinnen.

Nach so viel frischer und kalter Luft schrien unsere Mägen nach Futter und so wichen wir vom Plan der Selbstversorgung ab und gingen ins eines der vielen Restaurants. Hier gab es alles, was der Fastfood-geschädigte Magen so gerne mag. Natürlich Burger und Pizzen ohne Ende. Die Burger fielen dabei besonders auf, denn alle enthielten Rentierfleisch von Blitzen und Vixen oder sogar Bärenfleisch. Nun stellte ich mir dabei einen so süßen, kleinen tapsigen Bären vor und verlor direkt den Appetit auf etwas Neues. Man kann doch keine Bären essen….Also gab es Rentierburger. Ich weiß, das ist nur scheinheilig konsequent, aber keiner von Euch war dabei und hat unsere Mägen knurren gehört.

Tja und zum Abschluss des Tages?…..Schon wieder diese leuchtenden Nordlichter, gähn!

4 Antworten auf „Blitzen und Vixen kommen nicht hinterher

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  1. Schön wieder eurem Blog zu folgen. Wieder so amüsant geschrieben und wieder tolle Bilder. Ich freue mich auf eure weiteren Tagesberichte. Habt einen wunderschönen und erlebnisreichen Urlaub! Liebe Grüße Martina

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  2. He Dani, dein Schreibtalent kommt wieder voll zum Einsatz. Ich bin begeistert und der Neid packt mich. Wundervolle Erlebnisse und geile 😉 Bilder … Und den Abschied ins Erwachsenwerden las ich mit einer Träne im Auge … schön beschrieben, genau so ist es … wir Mütter müssen leiden … was hat sich die Natur dabei nur gedacht? Wundervolle Ferien euch noch …. Britta aus dem Bergland

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