12. Juli 2025 – wenn wir um Atem und Nerven beraubt werden

 Okay, Ich gebe es ja zu, ich bin abergläubisch. Bei mir darf niemand etwas unken, weil es sonst womöglich auch eintritt. Sobald jemand auch nur anfängt einen schlechten Verlauf der Zukunft vorhersagen zu wollen, gibt es von mir ein lautes „Pssst, Klappe halten“. Hauptsache es wird nicht ausgesprochen. 

Aber wenn es sich um versehentlich ausgesprochene Omen handelt, bin ich halt manchmal einfach unaufmerksam und nicht schnell genug. So auch heute. Aber fangen wir mal von vorn an

Zuerst wachten wir dank winterlicher 2 Grad Celsius auf Stufe drei, dem Maximum, auf unserer Heizmatraze auf. Brandblasen am Rücken oder anderen Körperteilen werden einfach ignoriert und weggezittert, wenn man in das unbeheizte Bad schreitet, um sich die Zähne zu putzen. Ich will echt nicht jammern, aber ein paar Grad mehr wären schon nett. 

Naja, für uns hieß es ja heute mal wieder Ortswechsel und so packten wir unseren kleinen Koffer, frühstückten und genehmigten uns noch eine Frümorgen-Safari. Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen, dafür dampfte nun aber das Wasserloch und jede andere Wasseransammlung im Gebiet. Es sah wunderschön aus, fühlte sich aber nach „Schnell zurück ins Bettchen“ an. Das hielt uns aber nicht davon ab, nochmals festzustellen, dass Georg die besten Augen hat. Sehen kann er alles, auch die Sachen, die er gar nicht sehen darf, wie zum Beispiel versteckte Geschenke, aber hören kann er dafür gar nicht. Die Sinne sind ungleichmäßig verteilt. Wir in unserem Alter können weder gut sehen, noch hören, geschweige denn rennen, wenn wir auf einen Löwen treffen. Das nenne ich gleichmäßige Sinnesverteilung. 

Doch wir neiden es der Jungend nicht und schalten dafür auf Schwerhörigkeit, wenn er das nächste WLAN-Passwort haben will. 

Auf der Safari versteckten sich einige Tiere recht gut, sodass unser Guide auf die Erklärung von Pflanzen überging, damit wir auch ja genug neues entdecken. So naschten wir an Pflanzen, die wie salzige Bohnenschoten schmeckten und einem Blatt, das nach einem sauren grünen Apfel schmeckte. Sollten wir je hier verloren gehen, können wir nun überleben, also vielleicht ne Stunde oder so. 

Nach dieser letzten Safari im Buffelsdrift sollte es für uns zum Addo Elephant Park gehen. Läppische 385 km, die mit reichlich 4 Stunden veranschlagt waren. Sämtliche Fotostopps wurden daher schon vor meiner Anfrage gestrichen. Nicht einmal kleine Umwege schafften es auf den Tagesplan. Ich war schon ein bissl ernüchtert und wollte erst einmal abwarten, denn 385 km schafft man doch garantiert auch schneller. 

Und jetzt kommt das angekündigte Omen von Swen, denn er fragte mich am Ortseingang der nächsten Stadt Oudtshoorn ob ich weiß, warum das die Hauptstadt der Straßen ist. Gibt ja schließlich gar nicht so viele. 

Ich lachte nur laut und meinte: „ Straußen, nicht Straßen“ und übersah damit sein schlechtes Omen für den heutigen Tag. Denn ab diesem Moment sollten uns die Straßen heute noch atem-und nervenraubend in Erinnerung bleiben. 

Wir fuhren los gen Osten und mittenrein in die Berge. Und deren Anblick war wirklich atemberaubend. Da ich ja für Fotostopps nicht anhalten durfte, blieb mir nur die Spezialisierung auf Windschutzscheibenfotografie. 

In De Rust, kurz hinter Dysseldorp, meinte ich, ob wir nicht mal tanken wollen, denn die Strecke ist nicht ganz so dicht besiedelt wie die Gardenroute. Aber Swen meinte nur:“ wir können noch ungefähr 200 km machen, da findet sich bestimmt noch eine Tankstelle.“

Kurz hinter dem Ortseingangsschild lachte sich unsere Tanknadel kaputt und machte aus einem gefahrenen Kilometer gleich mal 3-5 auf der Tankstandsanzeige. Lag vielleicht auch daran, dass wir über ein Bergmassiv hoch und nicht etwa runter fuhren. Bei  verbleibenden 100 km im Tank suchte ich dann schon langsam ziemlich hektisch nach der nächsten Tankstelle, die auf der Route sein sollte. Okay, noch 60 km Wegstrecke bis nach Willowmore sollten doch machbar sein, oder?

Schon wieder hörte ich das Lachen der Tanknadel, die augenblicklich um 20 km fiel. Weit und breit nur Pampa und keine Tankstelle. Während Georg hinten von all dem nichts mitbekam, gingen wir die Alternativen durch. 1. Klimaanlage aus, Radio aus und maximal mit 80 km/h fahren, während wir hoffen endlich den Zenit der Bergkette zu erreichen. 2. ab 20 km Rest halt die nächste Farm ansteuern und hoffen, dass niemand sein Grundstück mit Gewehren oder dem Schild „Vorsicht bissige Löwen“ verteidigen will. Oder 3. auf freundlich gesonnene Südafrikaner mit Ersatzkanister warten, während man am Straßenrand in der Mitte von Nirgendwo steht, verdurstet oder gefressen wird. 

Bei Variante 3 gingen wir natürlich alle Worstcase-Szenarien durch: Auto gestohlen und ausgeraubt und nun auf dem nächstbesten Strauß gen Addo reiten. Und glaubt mir, dass war schon eine der harmlosen Vorstellungen. Aber eigentlich kam es kaum in Frage, da faktisch irgendwie kein Auto auf dieser Strecke unterwegs war. Warum nur? und Variante 2 scheiterte an den rar gestreuten Farmen. Wenn mal eine da war, waren wir noch nicht bereit diese Option ins Auge zu fassen. 

Also blieb uns nur die erste Option und ganz, ganz viel Hoffnung. 

Als wir 40 km vorm Ziel „Tankstelle der Hoffnung“ waren, beschloss unsere lustige Tanknadel den Spannungsbogen zu verstärken, in dem sie einfach nichts mehr anzeigte und nur noch blinkte. Natürlich kam auch noch ein ordentlicher Berganstieg, statt uns einfach mal Kilometerweit rollen zu lassen. Unsere Vordersitze waren mittlerweile nassgeschwitzt und auch bei mir schwand langsam die Hoffnung, dass wir diese Mission schaffen werden. Doch auf den letzten Tropfen im Tank rollten wir in Willowmore in die Tankstelle und dankten dem Tankgott für seine Gnade. 

Stark erleichtert starteten wir nun die Weiterfahrt. Doch es wurde nicht besser, denn kurz hinter Willowmore mussten wir die Autobahn verlassen und wechselten auf die Landstraße. Nach fünf Kilometern wurde aus der zweispurigen Landstraße eine einspurige Plattenstraße, die nicht enden wollte. Ich kam mir vor wie auf der A11 zu DDR-Zeiten. Alle fünf Meter ein Dadumm inklusive Bandscheibenmassage. Das man hier die der Berechnung der Reisezeit zugrundeliegenden 120 km/h nicht fahren kann, ist eigentlich logisch. Bei 80 km/h verlor man schon die Kontrolle über alles und hatte das Gefühl gleich abzuheben. 

Die einzigen Ablenkungen waren Makaken, Strauße, Mangusten und Kakteen. Und von keinem durfte ich Fotos machen. Ich befürchtete langsam, dass die ganzen restlichen 200 km auf diesen Platten zu absolvieren sind. Das war der richtige Zeitpunkt um darüber zu philosophieren, warum man in solche Einsamkeit ziehen will. Heute fällt mir kein Grund ein. 

Doch wir hatten Glück und irgendwann wurden wieder zwei Fahrspruen aus der einen. Ich schwöre, mein Körper machte immer noch alle 5 Meter Dadumm und spontan dachte ich an Dirty Dancing. Das brachte uns darauf, die Einöde mit etwas Musik aufzufrischen und Swen‘s Handy übernahm das DJ-Pult und wir drei sangen laut mit zu ABBA, Toten Hosen und Roger Wittaker. 

Wir waren schon fast im Fluss, doch das war’s noch nicht mit dem Straßen-Omen. Denn ungefähr 5km vor unserem Ziel wartete eine Baustelle auf uns, die zuerst 20 Minuten Wartezeit wegen Einspurigkeit bedeutete und dann in einer Vollsperrung 800 Meter vor unserem Ziel endete. Laut Google gab es keine alternative Anreisestrecke, die nicht eine zusätzliche Übernachtung erzwungen hätte. Und der freundliche Sperrposten war auch nur so semi in der Erklärung der Umleitung. 

Im Endeffekt führte die Umleitung über nicht offizielle Straßen quer durch ein Feld und förderte nochmals unsere Schweißproduktion. Doch wir schafften es tatsächlich nach knapp 5,5 Stunden in die Unterkunft. Durch zwei Tore und diverse Stacheldrahtzäune kamen wir zu einer wunderschönen Anlage. Aber bitte liebe Leute, wenn wir uns sicher fühlen sollen, sind solche Schutzmaßnahmen eher angsteinflössend. 

Deshalb starteten wir auch recht eingeschüchtert und ängstlich auf unsere erste Nachtfahrt über die tolle Umleitung zu Restaurant und rückzu musste ich alles an Ablenkung geben, damit Georg und Swen nicht vor schiss..

Eine Antwort auf „12. Juli 2025 – wenn wir um Atem und Nerven beraubt werden

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  1. Eure Schweißperlen beim Anblick der Tankfüllung kann ich sehr gut nachvollziehen. Kann man auch auf Mallorca, auf dem Weg nach Cap Formentor erleben, wenn der Gatte meint „Auf dem Weg gibt es bestimmt noch eine Tankstelle“. ….. einspurige Bergstraße, Stau um überhaupt auf den Parkplatz kommen zu können, haben wir dann doch abgebrochen und an einer etwas breiteren Stelle gewendet. Kommentar vom Gatten: „Abwärts können wir ja rollen“

    Tolle Reise die ihr wieder macht.🐘🦒

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