16. Juli 2025 – Monet kann gern meine Skizzen haben

Am zweiten vollen Tag läuft eigentlich alles nach ähnlicher Choreografie ab, allerdings mit kleinen Abwandlungen. 

Erstens fällt uns das Aufstehen um 5:45 Uhr deutlich schwerer nach dem nächtlichen Geräuscheraten. Denn hier ist echt viel los. Da haben wir zum Beispiel Frösche am Wasserloch, die nach Eintritt der Dunkelheit den Vorrat an täglichen Quaklauten raushauen. Hinzu kommen diverse Vögel, die entweder noch nicht gezwitschert haben oder nun den Fröschen eine klare Ansage machen wollen. Angeblich sind wir laut Guide mindestens einmal von einem Löwen und diversen Schakalen geweckt worden. Es ist zwar nicht so, dass unser Guide auch noch die Nacht mit uns verbringt, auch wenn das Bett groß genug wäre, aber hier im Busch gilt: Was einer im Camp nachts hört, hören alle. 

Entsprechend mies war die Laune bei Georg nach dem Weckerklingeln, der gleich alles verfluchte inklusive seiner blöden Eltern, die ihn nie in seinem Leben ausschlafen ließen. Kinder können so schön nörgelig sein. Auch Swen schlief noch halb, als er sich in die acht Lagen Kleidung schälte und warf immer wieder einen sehnsüchtigen Blick zu seinem Kopfkissen. Nur ich war in freudiger Erwartung auf die Morgensafari und konnte es kaum erwarten. Für morgen muss ich mir zur morgendlichen Motivation was einfallen lassen, sonst werde ich noch im Nachthemd vor die Tür gestellt. 

Das Einzigste, was uns allen ein Lächeln ins Gesicht zauberte, war die pralle, heiße Wärmflasche, die wir vor dem Besteigen unseres Jeeps in die Hand gedrückt bekamen. So eine Kunststoff-Wärmflasche wie wir sie alle kennen, macht auf einer morgendlichen Safari echt den Unterschied zwischen warmen Beinen und erfrorenen Gliedmaßen jeglicher Art. 

Und so ging es wieder los, zuerst durch das Tor vom Außenzaun und dann durch die zwei Tore zum Safarigebiet. Viele haben gefragt, und Swen auch an die hundert Male, ob wir nicht Angst haben müssen, dass der Löwe uns im Camp frisst. Nach diesen Toren, die teils über einen Bewegungsmelder funktionieren, was ich schon wieder witzig finde, fühlt man sich wie bei der Einfahrt in Jurassic Parc und ich wäre dafür, dass die entsprechende Musik eingespielt wird, wenn man hindurch fährt. 

Warum der Bewegungsmelder aber nun nur von Autos ausgelöst wurde und nicht von neugierigen Löwen oder Elefanten kann ich wirklich nicht erklären. 

Tja und warum sollte man so einen Safarimorgen anders als mit Löwen beginnen? Gibt keinen Grund und so sichteten wir als erstes ein schon agiles Männerduo. 

Danach folgten die Giraffen im Nebel, die darin genauso mystisch wie Gorillas aussehen. 

Was übrigens einen hervorragenden Guide von einem guten Guide unterscheidet, sieht man schlicht an meinen Fotos. Während ich im Addo teils nicht mal genügend Zeit hatte, um die richtigen Einstellungen zu wählen, bevor der Guide schon wieder das Auto startete, so habe ich hier nicht nur genügend Zeit für all das, sondern stelle immer wieder fest, dass der Guide sowohl auf meinen idealen Blickwinkel, als auch den Stand der Sonne und die Position der Tiere achtet. So kann ich die Fotos meines Lebens schießen und glaubt mir, ihr bekommt nur eine kleine Schnellauswahl ohne dass ich die Bilder großartig bearbeite. Hab hier nämlich schlicht keine Zeit dafür. Aber ich liebe diese Bilder und ich könnte mich hier wochenlang austoben. Meine Bewerbungen als Wildlife-Fotograf läuft, allerdings bräuchte ich dafür tatsächlich noch mehr Ausstattung. Und das wo Swen schon immer schimpft, was er alles schleppen muss. 

Fakt ist jedenfalls, so kundenorientiert wie unser Guide ist, fahndete er nach dem noch nicht entdeckten Geparden und fand ihn auch, wo seine Guides in den anderen Autos schon aufgegeben hatten. So hatten wir einen Geparden ganz für uns allein. 

Und ja, die Geparden hier tragen noch einen Tracker. Allerdings nicht damit sie Forrest schneller für uns findet, sondern dass man sie für den Falle der Flucht wiederfindet. In den ersten 3 Jahren nach Einzug der Tiere in den Park ist solch ein  Tracker Pflicht, denn es kommt regelmäßig vor, dass die Tiere, egal ob Löwe, Gepard oder Leopard, wieder ausbüchsen. 

Nach so viel Tiersichtung am Morgen ging endlich die Sonne auf und wärmte unsere unterkühlten Körper. Natürlich gab es noch einen schnellen Kaffee am Auto und das umringt von Zebras. Solch ein Frühstück würde ich mir für zu Zuhause wünschen und dafür glatt Frostbeulen akzeptieren. Die Stimmung an solch einem Morgen kann man kaum in Worte fassen. 

Zurück im Camp gab es wieder Frühstück und eine ganz süße Nyala-Familie direkt neben unserem Haus. Völlig unbeeindruckt standen Papa, Mama und das Junge im Gebüsch und sie beobachteten uns, während wir sie beobachteten. Georg ist mittlerweile – dank Forrest – Profi im Unterscheiden der verschiedenen Antilopenarten. Er lernt hier auf ein paar Safari‘s mehr als in Dutzenden Zoobesuchen. Ein kleiner Artenkundler ist er geworden.

Heute ging es nach dem Frühstück auf zu einer gemeinsamen Wanderung. Ich musste Swen vorher mindestens zehnmal schwören, dass wir hier um unser Camp, also noch vor den Jurassic Parc Toren auf Wanderschaft gehen werden. Nur so war er bereit mitzumachen. Da half es wenig, dass uns Forrest für den Beginn der Wanderung erst einmal durch alle drei Tore fuhr und dann genau da parkte, wo wir an den Vortagen noch nach Löwen gesucht hatten. Tja, nun konnte ja Swen schlecht sagen: Ich bleibe dann mal im Auto. Also ging es für uns alle los, im Gänsemarsch hintereinander weg. Die Tatsache, dass Forrest noch schnell ein Gewehr mit Patronen lud und reichlich Extra-Patronen einpackte trug seitens Swen deutlich zum Sicherheitsgefühlt bei. Ich finde das immer eher verunsichernd, denn warum braucht man erst ein Gewehr? Hier wäre es besser gewesen, wenn Forrest behauptet hätte: Heute ist es so ungefährlich, dass ich glatt das Gewehr im Auto lassen kann. Aber nein, männliches Machtgehabe wirkt auch hier. Nur nicht auf die Elefanten, die wir verfolgen würden, denn denen war es völlig schnuppe, ob einer von uns eine Flinte dabei hatte. Die haben uns nämlich in unserem Annäherungsversuch komplett ignoriert. 

Nicht mal Notiz haben sie von uns genommen, obwohl ich sogar nachlässigerweise das pinke, förmlich leuchtende Basecap aufhatte. Gras und Grün waren einfach interessanter. Lustigerweise versuchten wir ein Selfie mit Elefanten und bekamen eines ohne Rüssel, aber dafür mit Forrest. Zuhause muss ich mir dringend ne neue Brille besorgen. 

Swen wird mir nun zustimmen, so ein Walk mit dem Gefühl „ es könnte ja“ ist schon etwas anderes als eine Safari im Jeep. Wunderbar intensiv und so echt. Georg war durch das Gewehr entspannt beruhigt und lauschte auch den Geschichten über Heilpflanzen oder den Eigenschaften der unterschiedlichen Kacken. Ja, ihr habt richtig gelesen, es ging um Kacke. Forrest nahm davon reichlich in die Hand, um uns die Unterschiede der verschiedenen Dung-Arten zu erklären. Eigentlich alles aus Gras, was die Neutralität der eckeligen Sache verdeutlicht. Nur die von Raubtieren sollte man nie in die Hand nehmen, denn hier tummeln sich tödliche Bakterien, die nur in chinesische Labore gehören. Die Kacke von Impalas dagegen kann man als Spuckkerne nutzen, wie Forrest dann auch direkt vorführte. Für mein Gefühl etwas zu viel Natürlichkeit, aber Georg packte mal ein „Kügelchen“ für später ein. Man weiß ja nie. 

Kaum hatten wir die Wanderung ohne Waffeneinsatz überlebt und trotz der Exkrementerzählungen noch Appetit, gab es auch schon das Mittagessen im Camp. Wir waren mittlerweile so müde, dass wir die Gabeln brauchten, um nicht mit den Köpfen auf dem Tisch einzuschlafen. Also schnell einen gezielten 20 minütigen Powernap. Dank einer Parallelschaltung aller drei Handys wachten wir auch wieder auf, um zur letzten Sundowner-Safari zu starten. 

Was fehlt uns denn noch zum vollendeten Safari-Glück? Nashörner, Hippos und ein Leopard. Leopard wird schwierig, da man nie genau weiß, wieviele im Park leben. Irgendetwas zwischen Null und fünf. Forrest nahm deshalb die anderen Tierchen als direkte Zielangabe an und steuerte in einen neuen Teil des riesigen Parks von Kariega. 

Und dort sahen wir dann natürlich zuerst Breitmaulnashörner und hörten von der Zusammenarbeit mit dem WWF und den Erfolgen mit den Spitzmaulnashörnern. Und jeden Wilderer dieser wunderbaren Tiere wünsche ich die Pest an den Schwanz, nur um meinem Hass Nachdruck zu verleihen. Diese Tiere gehören geschützt und nicht wegen ihrer Hörner und eventuellen medizinischen Eigenschaften gejagt. Wer Fieber hat kann ne IBU nehmen und braucht dafür nicht ein Tier töten. Hier bin ich nochmal mehr entsetzt über diese Ausnutzung der Tierressourcen. Hier jedenfalls habe ich so viele glückliche, freie und unbeschwerte Nashörner gesehen, wie nie zuvor.

Doch auch Hippos oder Flusspferde standen noch auf unserer ungeschriebenen Liste. Forrest nahm auch diese Herausforderung an und führte uns an einen Teil des Flusslaufes, den Monet nicht schöner hätte malen können. Bei der Schönheit gerieten die vier sichtbaren Nasenlöcher fast in Vergessenheit und ich versuchte mit meiner Kamera Gemälde zu zeichnen. 

Anschließend gab es passend zum Morgenstopp noch einen Sundowner mit Zebra‘s.  Natürlich noch einmal mit einem Gintonic inkl. Pinkeln im Freien. Dieses Gefühl von Freiheit und Glückseeligkeit, was man nicht beschreiben kann. 

Langsam mischte sich aber auch Abschiedsschmerz in dieses Gefühl. Ich war das ja von Afrika schon gewöhnt, wenngleich es deshalb nicht weniger schmerzte. Aber für Georg und Swen waren diese Schwermut neu und auch ungewohnt. Und so fuhren wir stumm in den pinken Sonnenuntergang und saugten diese Artenvielfalt und diese Freiheit in uns auf. 

Zurück im Camp erwartete uns Lagerfeuer-Romantik und reichlich Essen vom Grill, mal von der Riesenauswahl an der Outdoorbar abgesehen. Ein perfekter Abschluss einer perfekten Safarizeit in einer wirklich außergewöhnlichen Lodge. 

Nur Swen wusste diesen Moment nicht richtig zu nutzen. Statt einem spontanen zweiten Heiratsantrag , der dem Ambiente angemessen wäre, philosophierte er über die Maße von afrikanischen Frauen und zeigte sich damit deutlich mehr lebensmüde als heute auf der Walking-Safari. Er verglich nämlich wohlgeformte Afrikanische Mama‘s mit der genetischen Vorprogrammierung von Nashörnern: Beide dick, aber offensichtlich gesund und durchaus beweglich. Ich persönlich war kurz davor, ihn zur Hexenverbrennung im Lagerfeuer zu opfern. Aber Gutmensch wie ich bin, schrieb ich es einem Missverständnis und dem guten südafrikanischen Wein zu. Allerdings noch so eine Bemerkung und er wird dem nächstbesten Nashorn zum Hornschleifen dargeboten. Dünnes Eis, Junger Mann

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