7. Juli 2024 – Wird schon gut gehen

Diesen einen Tag haben wir vorerst noch auf Terceira und den wollen wir nutzen. Auch wenn nach einem Tag wie dem Gestrigen sich viele fragen, wie kann es nun noch eine Steigerung geben, so sehen wir das völlig entspannt. Es muss nicht noch höher, weiter, schneller sein. Deshalb haben wir nach der gestrigen Traumerfüllung auch erst einmal eine Pause eingelegt und alles verdaut. Heute werden die Karten neu gemischt und wir schauen, was der Tag bringt. Die Striemen der Qualle sind zwar auch noch sichtbar, allerdings wirken sie mittlerweile, als hätten wir Georg gestern an den Füßen gefesselt und das Ganze etwas zu straff. Also auf Rückfragen vom portugiesischen Jugendamt sind wir bestens vorbereitet und haben sämtliche Fesseln versteckt. Doch somit hat Georg auch keine Ausrede mehr für Wanderungen, Spaziergänge und jede Art der körperlichen Betätigung. Zur Motivation packen wir noch ein paar Möhren ein und schon kann es losgehen.

Und gleich ein Learning, welches wir gerne teilen. Die Gruta Natal und der Algar do Carvao öffnen erst 14 Uhr, also macht eine Sichtung der Lage gegen 11 Uhr so gar keinen Sinn. Das wissen wir nun auch. Aber die Inseln der Azoren sind ja allesamt nicht riesig und außerdem wartet aller paar Kilometer eine neuen sehenswerte Attraktion auf einen. Also kurz umdisponiert und zu dem Mirradouro do Serra do Cume umgelenkt. Einen süßen, kleinen Skywalk mit Blick auf die umliegende Vulkanlandschaft. Wir hatten das perfekte Wetter und ordentliche Sicht und konnten den Skywalk so richtig genießen.

Mal wieder versuchte ich den Ort ohne andere Touristen abzulichten und in meinen Fotos zu bannen. Und da bin ich normalerweise auch richtig gut drin und schaffe touristenfreie Fotos, wo mich schon einige gefragt haben, wie ich das manchmal mache. Aber dieses Mal wurde meine Geduld strapaziert und nicht belohnt. Mir hätten ganze 5 Sekunden, maximal 10 Sekunden freie Sicht genügt, aber entweder wurde der Selfistick für das Gruppenfoto ohne Pause strapaziert oder auf der Plattform wurde in Familie besprochen, was man heute noch so einkaufen sollte, um anschließend noch die besten Rezepte auszutauschen oder das 100. Selfi mit wehendem Haar im Wind war immer noch nicht perfekt genug. Dabei stand ich echt provokativ am Eingang zur Plattform mit der Kamera im Anschlag, doch es wurde einfach nicht leerer. Lag scheinbar einfach an der wunderbaren Aussicht, die jedem gegönnt ist.

Danach fuhren wir Richtung Angra und Swen musste aller paar Meter anhalten, weil ich noch das x.te Foto von den riesigen Hortensienhecken machen wollte. Wenn ich wieder zu Hause bin, gibt es eine ernste Aussprache mit meinen Hortensien und ihrer offensichtlichen Wachstumsverweigerung. So geht das echt nicht weiter. Hier stehen Hecken, die erstens mindestens fünf Meter hoch, zweitens unendlich lang und drittens über und über mit Blüten bestückt sind. Zu Hause steht ein Busch, der seit Jahren die 50 cm nicht überschreiten will und sich mit Mühe und Not pro Sommer 5 Blüten aus dem Ast leiert. Echt jetzt?

Bei dieser Fotostrecke habe ich dann noch meinen Fussabdruck in einem Kuhfladen hinterlassen. Schön rutschig und stinkend. Daraufhin verriegelte Swen unseren Fiat Panda und gab mir Handzeichen, dass ich erst wieder ins Auto darf, wenn auch die letzte Rille meines Schuhs sauber glänzt. Gott sei Dank gibt es hier soviel Grün zum Säubern der Fusssohlen. Aber es soll ja Glück bringen und darauf baue ich einfach.
Kaum durfte ich wieder ins Auto, sahen wir auch die Verursacher meiner stinkenden Schuhe. Eine Herde Kühe wurde durch einen Kreisverkehr geleitet, als wäre das ihre Hauptstraße und das auch noch entgegen der Fahrtrichtung. Lass das mal einen Polizisten sehen, der hätte sie gleich wegen vieler Vergehen verhaften können. Aber vielleicht war das nur die Vorbereitung für linksdrehenden Joghurt, wer weiß. Damit könnte ich das mit den links- und rechtsdrehenden Milchkulturen durchaus verstehen.

In Angra do Heroismo angekommen, erwischten wir auch schnell eine Parkbucht dank der Tatsache, dass es Sonntag war und die Stadt sich so schön ruhig anfühlte. Wir wanderten durch die Gassen, was durch die heutigen hohen Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit gar nicht so einfach war. Deshalb ruhten wir uns nach dem Rundgang am Hafen bei einem Eis und Wein etwas aus, bevor wir zu dem eigentlichen Tagesziel aufbrachen.

Ab ins vulkanische Zentrum der Insel und als erstes in den Algar do Carvao, einen Vulkanschlot der mittlerweile stark bewachsen ist, mit allem, was es feucht und halbschattig mag. Wenn man sich bereit macht den Vulkanschlot zu besuchen, empfängt einen als erstes der Hinweis, dass keine Garantie für das Überleben übernommen wird. Aufgrund von erhöhten Seismologischen Aktivitäten warnt man einfach und schiebt die Risikokarte auf die Besucher. Hält uns das ab? Nein, denn ich vertraue den Betreibern soweit, dass bei wirklich erhöhter Gefahr, die Höhlen schließen würden. Also das ist zumindest meine Hoffnung. Also Ängste beiseite schieben bzw. den Hintergrund erst einmal dem Kind erklärt, der sich schon insgeheim auf ein Live-Erdbeben gefreut hatte. Wollte Georg nämlich schon immer mal wissen, wie das so ist. Mit dieser Unterhaltung im Nachhall geht es dann erst einmal durch einen langen Betontunnel und ich malte mir nun aus, wie es wohl wäre, wenn dieser Tunnel hinter uns einstürzt. Werden wir dann rausgeholt? Schließlich haben wir es ja mit einem Schlot zu tun, mit Ausgang gen Himmel. Da sollte es doch Möglichkeiten geben, oder?

Doch all diese Bedenken waren vergessen, sobald man diese Schönheit der Natur sieht. Dicht bewachsen mit Moos und Farnen leuchtet es geradezu grün in allen Nuancen. Je tiefer man hinab steigt, desto übermächtiger wird die Kraft, mit der dieser Ort geschaffen wurde. Unglaublich was so ein Vulkan alles neben der offensichtlichen Zerstörung schaffen kann. Jeder Winkel bietet einen neuen Einblick in diesen riesigen Schlot, gekrönt durch den glasklaren See am Boden. Die von oben runterfallenden Wassertropfen füllen diesen See und treffen auch uns gelegentlich. Georg versucht einen Tropfen mit der Zunge aufzufangen und muss zugeben, dass dies eine blöde Idee war, denn es schmeckt fürchterlich. Jetzt hoffe ich nur, dass dieser Tropfen wenigstens ohne Uhrzeitlebewesen war, damit er nur schlecht schmeckt und nicht schlecht ist.
Mein hier verbotenes Stativ ersetzte ich durch eine Wasserflasche und einiges an Übung für vergessene Stative. Und dennoch können die Fotos kaum wiedergeben, wie es wirklich war. Also Sachen packen und herkommen.

Auf zum nächsten Punkt auf der Strecke, der wieder zeigt, wie hoch die Vulkanaktivitäten hier noch sind. Nur wenige Kilometer entfernt liegen die Furnas do Enxofre, ein geologisches Schwefelfeld, wo es wieder aus allen Ecken dampft und natürlich auch stinkt, herrlich. Hier konnten wir einen kleinen Rundgang machen, sodass unsere Füße nicht denken, wir sind auf Urlaub hier. Besonders beeindruckend finde ich hier die großen hellbeigen bis gelben Flechten und Moose, die diese Erdtemperaturen offensichtlich lieben. Sieht irgendwie total unwirklich aus.

Doch auch das war heute nicht die letzte Lehrstunde in Sachen Vulkanaktivität. Den bei den Algar do Carvao bekommt man gleich zwei Höhlen im Combiticket. Und die zweite, Gruta do Natal, liegt wieder nur wenige Kilometer entfernt. Total unscheinbar an einem kleinen See steht eine kleine Hütte aus Steinen und diese beherbergt den Eingang zu dem Lavatunnel unter der Erde. Und hier kommen nun Abenteurer und Styling-Victims voll auf ihre Kosten. Die Abenteurer, wie Georg, haben die Chance einen Lava-Tunnel allein zu durchqueren. Und die Styling-Victims erhalten eine Duschhaube auf den Kopf und darauf einen weißen Helm. Ich brauche nicht erwähnen, dass wir mit diesem Styling nie auf das Titelblatt der Vogue kommen. Aber auch egal, denn wir sind Abenteurer und haben Spaß.

Also ab in den Tunnel und alles erkunden. So sehen wir die Spurrinnen der Lava, die durch den Tunnel gezogen ist. Genauso die ersten grünen Moose, die im Licht der Scheinwerfer wieder Leben in den Gang bringen. Und wir sehen echte Lava-Stalaktiten, die entstehen, wenn die Lava kurz vor der Erkaltung noch von der Decke tropft. So gebildet nehmen wir dann auch den letzten Abschnitt des Tunnels, der uns in die Knie zwingt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn wir müssen quasi kriechen, um durch die flachste Stelle des Tunnels zu kommen. Die gute Nachricht ist, keiner von uns ist stecken geblieben. Nicht mal ich. Dank Helm und Duschhaube gab es auch obenrum keine Verletzungen und so ging es nach dem Abenteuer wieder zurück an die Erdoberfläche. Kam mir vor wie Jules Verne nach der Reise zum Mittelpunkt der Erde. Nur schreibe ich mein Tagebuch immer danach bei einer Flasche Wein.

Nun hatten wir unsere Tagesziele geschafft und fuhren zurück nach Biscoites. Hier hatten wir noch einen Punkt unbeachtet gelassen, was wir dringend nachholen wollten. Eine Runde runter an die Küste zu den Naturpools und der zerklüfteten Landschaft. Dabei entdeckten wir, dass wir schon hier und nicht wie erst auf Pico erwartet, zwischen ganz vielen Weinanbaugebieten wohnten. Überall in den Nischen zwischen Mauern aus schwarzem Vulkangestein gedeihen diese leuchtend grünen Weinreben. Unten am Meer angekommen absolvierten wir noch den vorhandenen Trimm-Dich-Pfad und entschieden, dass der hiesige Natur-Pool viel zu stark frequentiert ist. Also wieder nach Hause, noch einen Fisch gegrillt und dann angefangen, die Koffer für den nächsten Inselwechsel zu packen.

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