9. Juli 2024 – Jedem sein Früchtchen

Wieder gab es einen Grund für das zeitige Aufstehen und wieder war es ganz freiwillig. Auf diesen Teil hatten wir uns nun schon den ganzen Urlaub und die Wochen davor gefreut: Whalewatching von echten, im Ozean schwimmenden Walen. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass der morgendliche Rucksackcheck ausschließlich der Kameraausstattung galt. Die Verantwortung, was sonst noch so beachtet und eingepackt werden musste, mussten die anderen übernehmen. Und so standen wir 8:15 vor dem Büro von Espaco Talasso am Hafen. Und wir waren nicht die einzigen aufgeregten Gesichter. Fakt war nämlich auch, dass wir ausgerechnet den Tag mit dem bisher schlechtesten Wetter gewählt hatten. Aber das schien vorerst kein Thema zu sein, denn wir erhielten ein vorbildliches Briefing über den Schutz der Natur, die Aufklärung wie man Fisch und Wal unterscheidet, welche Tiere hier heimisch sind und das man keine fliegenden Kühe erwarten darf. Ich nahm jedoch die wichtigste Info auf, nämlich sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass ein Pottwal auf Fliegenfischen umstellt, also sinngemäß in die Luft springt, es an Land eine Flasche Champus gibt. Hab so ein selektives Gehirn, dass nur die wichtigsten Informationen behalten kann.
Doch danach kam die noch wichtigere Info, die wir irgendwie fast erwartet hatten. Aufgrund der Wettersituation werden die heutigen Touren gecancelt. Die Sicht liegt bei 15 Metern, was blöd ist, wenn man mindestens 50 Meter Abstand zu den Tieren halten soll. Und der Wellengang wurde uns als todbringende Apokalypse beschrieben, sodass keiner auf seine Tour bestand. Doch was nun?

Ich hatte ja kürzlich gelernt, wozu Ellenbogen zu gebrauchen sind und als der Guide erwähnte, dass man ja umbuchen kann und für morgen noch ca. 4 Plätze frei sind, empfand ich dies als direkte Aufforderung an meine Ellenbogen. Morgen ist unser letzter Tag hier auf der Insel und dieses Erlebnis gehört quasi zu den Azoren, wie das Blau und das Grün. Also sprang ich noch in der „Cancelation“ auf und stürmte mit meinen Ellenbogen an den Buchungsschalter. Es tut mir wirklich leid, für alle, die diese Plätze auch haben wollten, aber da stand UNSER Name drauf. Also ran an den Schalter und die letzte Gelegenheit genutzt. Nun haben wir morgen 14 Uhr nochmal die Chance auf unser Whalewatching und beten nun minütlich den Wettergott an. Sicherheitshalber werde ich heute alles aufessen, was auf den Tisch kommt und sämtliche Karma-Götter freundlich stimmen und gleich mal schauen, ob noch ein paar gute Taten drin sind.

Doch was machen wir nun mit so einer Tages-Umwirbelungs-Aktion? Wir machen das Beste draus. In meinem Fall ist das erst einmal ein kurzer Stop an einigen Pfützen des schlechten Wetters und das Bild des Tages schießen.

Für uns als Familie bedeutet dies, als erstes Mal den Schreck verdauen und ein frühzeitiges Deidei einfügen. Ausgeschlafen denkt es sich auch wesentlich einfacher und vor allem motivierter. Und so beschlossen wir nach der Pause eine Wanderung durch die Weinberge einzufügen. Die wurde mir dank Gruppen im weltweiten Netz empfohlen und Empfehlungen kann man ruhig mal trauen.
Also ab nach Lajido kurz hinter dem Flughafen und zwischen unendlichen Weinanbauten. Hier starteten wir eine Wanderung, die uns erst über alte Lavafelder, die Spurrinnen der Ochsenkarren hatten, führten. Ein toller Weg. Links und rechts waren die Steinmauern aus Lavasteinen, die die Parzellen der Weinfelder umgrenzten. Leuchtendes Grün auf schwarzem Stein. Und zeigt mir einen, dem dabei nicht der Fotofinger zuckt. Wir jedenfalls wanderten auf dieser Strecke bergauf und genossen diese Umgebung. Irgendwann entdeckten wir ein paar wilde Tomaten mit reifen Mini-Früchten dran. Leuchtend rot und so verlockend, wenn man gerade hundert Liter auf dem Weg bergauf rausgeschwitzt hat. Also alle wollten kosten, außer Georg. Nicht seine Frucht. Also gönnten wir drei uns je eine Tomate und waren begeistert vom Geschmack dieser Winzigkeit. Georg fand in der Zwischenzeit eine andere Frucht, die ihn mehr interessierte. Also zumindest kurzfristig. Und so erntete er eine Kaktusfeige, nur um uns im nächsten Moment ein: „Mama, ich habe da ein Problem!“ entgegen zu ballern. Okay, ein Problem ist massiv untertrieben, denn in allen Fingern seiner Hand steckten mindestens zehn Stacheln vom Kaktus. Eine Erfahrung, die unser Kind offensichtlich machen musste, trotz der artikulierten Warnungen. Aber jedem halt sein Früchtchen!

Nach dieser Erfahrung, die wir alle ordentlich belachten, ging es weiter und weiter. Die Wege wurden verwunschener und es regnete sogar etwas. Aber insgesamt genossen wir diesen wunderbaren Wanderweg. Gedanklich bauten Swen und ich mittlerweile hauptberuflich Wein an und freuten uns schon auf dieses kleine Weinlädchen, welches wir dann betreiben. Aber noch ist es ja nicht soweit.
Deshalb holten wir uns schnell noch etwas im Supermarkt zum Abendbrot und lernten einmal mehr die Freundlichkeit der Inselbewohner kennen. Denn während die Kassiererin mit uns fertig war, stellten wir gemeinsam fest, das zwei Mini-Stückchen Butter noch auf dem Band lagen und nun separat abkassiert werden mussten. Für 0,19 € war es der Kassiererin verständlicherweise zu blöd, auf die Kreditkarte zurückzugreifen. Bargeld hatten wir nicht am Mann und so musste der Mann schnell zum Auto zurückrennen. Die Einheimische hinter uns bestand jedoch darauf, diesen Betrag für uns zu übernehmen und zückte ihr Portemonnaie. Einfach so, nur weil wir halt eben gerade kein Bargeld dabei hatten. Natürlich haben wir ihr das Geld zurückgegeben. Aber wenn jemand heute Karmapunkte gesammelt hat, dann diese Frau. Danke!

Wir dagegen hatten nun neben der Butter auch Nudeln, Sauce, Würstchen und Käse und dem Nudelabendbrot stand nichts mehr im Wege. Ein geschmackvoller Ausklang eines schönen Tages, den wir noch mit einem Bad im Pool und einem Ausklang mit Wein im Whirlpool beendeten. Es war fast so schön, wie in den heißen Quellen von Sao Miguel. Nur der leckere Wein aus der Region konnte dies in diesem einen Augenblick sogar noch toppen. Gute Nacht!

Eine Antwort auf „9. Juli 2024 – Jedem sein Früchtchen

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  1. Die Erfahrung mit den Kaktusfeigen habe ich im zarten Alter von sechs Jahren auch machen dürfen. Mein Mann brauchte dazu etwas länger….nämlich bis 70🤣 und auch trotz eindringlicher Warnung😉

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