Fussball-Eltern aller Welt vereinigt Euch

Mich würde mal interessieren, wieviel Prozent der Eltern mit schulpflichtigen Kindern dieses Schicksal ereilt hat, dass sie nun Fussball-Eltern sind. Wenn man den Nachwuchszahlen des DFB glauben kann, sollten wir die Mehrheit aller Eltern darstellen. Und damit komme ich auch zu der Macht, die in uns steckt, denn auf jede Fussballerin und jeden Fussballer kommen mindestens zwei Eltern plus Geschwister, Großeltern, Onkel und Tanten. Also ein Blogeintrag, der jeden angeht.

Und eigentlich gibt es ja nur zwei Arten von Fussball-Eltern. Also einmal die, die aus gesundheitlichen oder anderen Gründen diese Sportart für ihre Kinder wählen, ohne das die Kinder wirklich Bock haben. Sie bei einem Fussballverein, bevorzugt in fussläufiger Entfernung zum Wohnsitz anmelden und den Kindern 1-3x wöchentlich die Richtung zum Fussballfeld zeigen. Tief in meiner Fantasie beneide ich diese Eltern, die sich für 1-3x je Woche 2 h Freizeit organisieren und statt den alibimässig angekündigten Einkäufen o.ä. auf der Massageliege liegen und sich gott-weiß-was schaukeln.

Und es gibt UNS, die bis hin zur Selbstaufgabe agierenden Fussball-Eltern. Dazwischen gibt es – glaube ich – nichts. Unsere Spezies ist so multitasking, dass die KI neidisch werden dürfte. Und so sind wir zum Ersten Busfahr-Eltern, die Ihre Kinder 1-3 wöchentlich zum Training fahren in den besten Verein, der zu haben war und nicht automatisch den nähesten. Die sogar aufgeschlossen sind, für ihr sowieso über die Maßen talentiertes Kind notfalls auch den Wohnort zu wechseln. Mal ganz abgesehen von den vielen Transporten zu Punktspielen, Freundschaftsspielen oder Das-wird-heut-eh-nix-Spielen. Wir sind eigentlich in unserer Freizeit nur unterwegs und können uns Berufskraftfahrer nennen. Hinzu kommen die unchristlichen Zeiten, zu denen man das Fuhrunternehmen scharf schalten muss. Also ganz ehrlich, zu meinem natürlichen Lebensraum gehört kein Weckerklingeln an einem Sonntag um 7:30 Uhr, nur um anschließend bei 6 Grad Celcius im Nieselregen am Spielfeldrand zu stehen. Davon hat mir keiner bei der Kinderplanung etwas erzählt. Das gehört bitte in den Geburtsvorbereitungskurs.

Außerdem sind wir Caterer- und Kuchenbäcker-Eltern. Denn am Morgen, noch vor dem Freundschaftsspiel beim eigenen Verein, werden die tausendsten Muffins so gezaubert, dass sie beim anschließenden Verkauf durch uns Verkaufs-Eltern reichlich Geld in die Mannschaftskasse spielen. Am Nachmittag dann mutieren, und das kommt nicht von „Mutter“, wir zu Großwäscherei-Eltern und waschen die mit Grasflecken übersäten und natürlich weißen Fussballstutzen. Wenn mal jemand einen Tipp braucht, wie man Grasflecken entfernt, fragt einfach Fussball-Eltern. Mehr Erfahrungen in diesem Bereich findet ihr nicht. Hier mal ganz nebenbei ein Dankeschön an die kreativen Trainer oder Vereinsvorstände ohne Waschmaschinenerfahrung. Es ist blödsinnig, weiße Trikots zu bestellen, genauso wie weiße Stutzen oder Hose. Doch besonders schlimm sind weiße Trikots zu roten Hosen. Das bedeutet für uns Fussballer-Eltern zwei Wäschen, es sei denn ihr wollt auf pink umstellen.

Natürlich sind wir auch Ersatz-Trainer und mal mehr oder weniger offiziell Schiedsrichter. Aber auf jeden Fall sind wir ein geballter Fanclub, der völlig parteiisch nur auf einen einzigen Spieler achtet. Also auf die eigene Tochter oder den eigenen Sohn. Und ich als Fussball-Fan-Mutter halte schon seit Wochen Ausschau, nach einer guten Fussball-Eltern-Rechtschutzversicherung. Denn irgendwann, wenn so ein fieses gegnerisches Kind meinem geliebten, süßen Sohn, den ich unter Einsatz meines Lebens Leben geschenkt habe, eine fiese Blutkrätsche verpasst, werde ich die Mutter sein, die über den Platz stürmt und gemäß der Cosa Nostra Blutrache einfordert. Dafür hätte ich gerne einen Rechtsbeistand. Und mal zum Thema „Marktlücke erkannt“: Damit könnte man echt Geld machen, wenn ich sehe, wie sich manche Fussball-Eltern auf dem Feld gebaren. Das hat Potential und reicht von Schiedsrichter-Beleidigung, bis hin zu schwerer Körperverletzung. Wäre dieses Jurastudium nicht so trocken, würde ich mich ja anbieten.

Natürlich sind wir auch Psychologen-und Seelsorger-Eltern, denn das Trösten nach einem verlorenen Spiel haben auch wir zu erledigen. Da müssen wir manchmal aufbauen und motivieren und manchmal auch dafür sorgen, dass der Höhenflug nach einem 27:4 nicht im Weltall fern des Bodens unter den Füßen endet.

Ein wichtiger Punkt, der wahre Fussball-Eltern ausmacht, darf nicht vergessen werden. Denn plötzlich müssen wir auch noch ein Fussball-Lexikon sein. Ist es nicht schon schlimm genug, dass für unsere Kids nur noch Fussball existiert? Nein, auch wir müssen soooo vielen Fragen stand halten. Wieviel Tore hat XY in der Saison 1990/1991 geschossen? In welchen Vereinen hat YZ denn schon alles gespielt? Und wer hat am Wochenende wieviel Tore geschossen, aus welcher Entfernung und mit welchem aktuellen Tabellenplatz? Wenn ich mal ehrlich bin, hatte ich in den ersten 45 Jahren meines Lebens deutlich weniger Stadionbesuche, als in den letzten 12 Monaten. Denn plötzlich gehen wir regelmässig zu Spielen und ich habe sogar zwei Schals unserer Mannschaft im Schrank. Dieser Teil grenzt meiner Meinung nach wirklich an Selbstaufgabe von mir als Individuum. Es geht sogar soweit, dass ich regelmässig die erste bin, wenn es darum geht, sich als Einlaufkinds-Mutter zu bewerben und ich scheue keinen Aufwand für Zusatztrainings und Fussballcamps.

Zusammenfassend muss man sagen, wir sind doch alle bekloppt. Oder? Dabei bin ich noch gar nicht bei dem Teil angekommen, über den ich eigentlich schreiben wollte. Denn die wahren, wirklich wahren Fussball-Eltern zeichnet eben auch noch aus, dass wir uns freiwillig ganze Wochenenden im Vereinshaus um die Ohren schlagen, um selbiges zu renovieren, als ginge es um eine Bewerbung für „schöner Wohnen“. Also auch bei uns war es soweit und es wurde zum Arbeitseinsatz gerufen, um 3 Kabinen zu malern und die Küche auf Vordermann zu bringen. Ich glaube, so wurde es in einer der berühmten Whats-App-Gruppen für Fussball-Eltern umschrieben. Das klang ja erst einmal bei über 20 Fussball-Eltern nach einer machbaren Mission. Und natürlich wird da Bereitschaft von uns gezeigt. Haben ja eh kein eigenes Leben mehr und sehen die anderen Fussball-Eltern öfter als unsere eigenen Eltern. Schließlich trainiert man ja 1-3x die Woche hier und die Fussballerinnen und Fussballer sollen es ja außerdem auch schön haben ,auf dem Weg zum Profifussball.

Also gesagt getan und angetreten zum Arbeitseinsatz. Früher haben wir das ja immer Subbotnik genannt, was laut Duden einen freiwilligen und völlig unentgeltlichen Einsatz der eigenen Arbeitskraft beinhaltet. Das trifft es ganz gut. Wir Fussball-Eltern fanden uns also im Vereinshaus ein und wurden ganz der Natur aufgeteilt. Die Männer schleifen die Bänke, schrauben ein bissl rum, malern anschließend und die Frauen putzen die Küche. Schon allein aus Gender-Gesichtspunkten wäre ich dafür, den nächsten Subbotnik umzuorganisieren. Es ist ja leider immer noch so, dass diese Sportart hauptsächlich männlich belegt ist und damit wäre ich dafür, dass die Männer dann auch den Dreck wegmachen, den sie in einer Küche offensichtlich fabrizieren können. Denn als wir Fussball-Mütter die Küche betraten, trug es uns nahezu rückwärts wieder raus. Das wäre der richtige Zeitpunkt für eine ordentlich Arbeitsverweigerung, einen Streik gewesen. Aber nein, wir sind ja diese Fussball-Mütter bis zur Selbstaufgabe. Also Gummihandschuhe übergestreift und alles eingepackt, was grenzwertig zwischen Spülmittel und Giftstoff einzuordnen ist.

Während die Männer in einer gemeinschaftlichen Höchstleistung gleich drei Räume abklebten und vorbereiteten, nahmen wir den Kampf mit dem Fett der letzten 10-20 Jahre auf. Der Verein existiert seit 1864 lt. Namen und nur weil verschiedene Einrichtungsgegenstände aus der moderneren Neuzeit stammen, waren wir so optimistisch das Fett nicht dem Gründungsjahr zuzuordnen. Also rückten wir mit wahren Profi-Putzzeug dem Fett zu Leibe. Leider funktionierten die Fenster nicht ihrer Bestimmung gemäß´ und so entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit ein Gemisch in der Luft, dass so manchen Gefahrstoff-Räumungsdienst oder auch Sprengstoffexperten auf den Plan gerufen hätte. Aber wir Mädels waren ja unter uns und genossen diesen Duft ,während wir kopfüber in der Kühltruhe hingen. Ich für meinen Teil kann nur berichten, dass ich jedes Mal, wenn ich den Kopf wieder aus der Kühltruhe erhob, erst einmal im Mantra meinen Namen und mein Geburtsdatum wiederholte, nur um sicher zu gehen, dass das Hirn noch funktionierte.

Gemeinschaftlich entwickelten wir dann leicht Chemikalienabhängig die Fantasie, dass wir künftig gemeinsame Putzabende durchführen könnten. Also wöchentlich wechselnd bei einer von uns Fussball-Müttern, bis wir die Runde rum sind. So putzt man nicht alleine und kann sich mit etwas anderem als dem eigenen Spülstein unterhalten. Also so ähnlich wie ein Skatabend bei Männern, nur ohne Bier und das Einzige was gereizt wird, sind unsere Atemwege von den Chemikalien. Aber besser als kein gesellschaftlicher Event neben den Fussballspielen und allen erwähnten Pflichten von Fussball-Eltern.
Die Stimmung bei uns war jedenfalls deutlich gelöster, als das Fett am Herd. Aber wir gaben nicht auf, bis die Küche einer Musterküche aus dem Küchenstudio ähnelte.

Es gab Phasen, da ließ sich auch gelegentlich einer der Fussball-Väter sehen. Aber ich glaube, die hatten alle nur Angst, dass sie von ihrer Mission „Wir sprechen über die Funktionsweise von Wasserwaagen, während wir 1-10 Bierchen gemeinschaftlich zischen“ abgezogen werden. Aber zu ihrer Ehrenrettung möchte ich erwähnen, auch ihre gemalerten Räume ähneln inzwischen eher einer stylischen Kabine von Neymar, als einer alten Umkleide vom Kleinverein.

Wir Fussball-Mütter putzten uns inzwischen in Extase und fantasierten immer mehr. Als wir ein Wehwehchen am Abfluss entdeckten, orderten wir umgehend einen Fussball-Vater mit Klempnererfahrung. In unserer Fantasie saßen wir auf dem frisch entfetteten Herd mit einem Prosecco in der Hand und schauten dem oberkörperfreien, in einer knackigen Latzhose befindlichen Klempner bei der Arbeit zu. So viel zu dem ungesunden und unkontrollierten Konsum von Chemikalien. Wir bekamen dann auch unseren Klempner in Latzhosen, aber weder oberkörperfrei, noch mit Prosecco in der Latzhose. Aber man kann ja nicht alles haben. Das Wehwechen am Abfluss wurde beseitigt und unsere Spülhände hatten eine kurze Pause.

Und wer jetzt immer noch nicht glaubt, dass wir, die Spezies der wahren Fussball-Eltern nicht völlig selbstlos und bekloppt sind, dem kann ich nur raten, sucht Euch einen Verein, mit dem all das wenigstens Spaß macht. Und liebe Fussballer des KSC 1864! Wenn wir Euch jemals erwischen, dass ihr auch nur ein Fitzelchen neues Fett in der gewienerten Küche hinterlasst, sei es durch eine gebratene Wurst oder ein geschmiertes Brot, dann drohen wir Euch mit Gottes-Hand in Form einer ordentlichen Schelte einer der aktiven Fussball-Mütter. Seid gewiss, Ihr müsst dann splitterfasernackt putzen, während uns die Füße massiert werden. Rache ist bekanntlich süß und dreckig!

Ich jedenfalls gehe jetzt mal zu meinem Fussballer und übe mit ihm Origami. Ein neues Hobby, ohne Vereine und mit deutlich weniger Aufwand. Und wenn er mich fragt, ob es auch andere Fussballer gibt, die das gerne machen, dann werde ich verzweifelt lügen, was das Zeug hält.

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