Also auf gehts in das tollste Hotel ever, oder so ähnlich. Bevor ihr erfahrt, wie es dort war, ob besser oder doch schlimmer als erwartet, will ich kurz von dem Fahrtag zwischen Malawi und Mosambik berichten. Auch klärt sich heute die Frage, warum ich den Titel wie gewählt, gewählt habe. Aber zuerst rein in unseren Sachsen-Jeep und auf gehts in 8 Stunden nach Cuamba. Ich picke hier nur ein paar Erlebnisse heraus, denn 8 Stunden im Auto können auch verdammt lang werden und ich will das heutige Kapitel nicht mit der Beschreibung einer Autofahrt füllen.

Während wir in unserer Lodge schlicht nicht an ein Frühstück geschweige denn einen Kaffee rankamen, nutzten wir die belebten Straßen als Einkaufsmeile für Lebensmittel. Es gab immer noch keine Mäuse für uns, dafür leckere Bananen ohne Ende. Dies sollte bei den Toilettengängen der nächsten zwei Tage von Vorteil sein. Ich schätze Superman-Planer Osman hat uns ganz bewusst mit Bananen vollgestopft, damit wir für die nächsten zwei Tage „voll verstopft“ sind. Zur Bananenabwechslung kostete ich mal Baobab-Frucht, die so groß wie eine Papaya ist, eine samtene Haut wie ein Pfirsich hat und innen voller weißer Steine ist, gleich einen Zitronenbonbon. So ungefähr kann ich den Geschmack umschreiben. Nur an einen Kaffee kam ich nicht ran und so nickte ich gelegentlich ein, donnerte mit dem Kopf beim nächsten Schlagloch gegen die Scheibe und war wieder bereit die aufregende Autofahrt zu genießen.

Auch lernten wir die mosambikanischen Polizeikontrollen kennen. Gefühlt standen die Herren, ausnahmslos, alle fünf Kilometer rum und da nicht so viele Auto’s unterwegs waren, wurden in jedem Jeep kaufkräftige Touristen erwartet. Mit einem freundlichen Lächeln wurde nicht etwa die Verkehrstüchtigkeit überprüft (was bei unserem Auto ohne Tacho oder Nadel durchaus angebracht gewesen wäre) sondern direkt nach Geld für eine Coke gefragt. Hierzulande würde dies als direkte Beamtenbestechung durchgehen. Dort war es einfach nur Schikane. Denn wenn man dieser sehr aktiven Bestechungsaufforderung nicht nachkam, wurden alle Pässe einkassiert und mit der Lupe kontrolliert. Das kann so eine Fahrt schon mal in die Länge ziehen.
Aber irgendwie hatten wir trotzdem riesigen Spaß an diesen Kontrollen, was natürlich an Superman-Komödiant Osman in Kombination mit unserem Auto lag. Denn wenn die Frage nach den Pässen und Fahrzeugpapieren kam, wies Superman-Komödiant Osman freundlich auf die damit verbundenen Gefahren und Folgen hin, nämlich dass diese Papiere eingeschlossen im Handschuhfach lagen und wenn er nun den Schlüssel nimmt, der natürlich am Zündschloss steckt, geht der Motor aus. Und dieser Motor geht halt nur wieder an, wenn man das Auto ordentlich anschiebt, was die lieben Volkspolizisten dann übernehmen müssten, da wir ja nur schwache, einfache Weibchen sind. Also ich meine, er hat sie jedes Mal gebührend vorgewarnt, auch sehr eindringlich und hat kein Detail der Folgen verschwiegen. Aber Sie wollten einfach nicht hören. Und so kam es wie es kommen musste, wir hatten alle paar Kilometer die ungezügelte Freude, dass schniefend und schnaubend die lieben Volkspolizisten ohne eine Coke uns anschieben durften, bis der Motor wieder ansprang. Schon wenn eine Polizeikontrolle am Horizont zu sehen war, freuten wir uns auf das kommende Schauspiel und kamen unserer Pflicht nach, Korruption nicht weiter zu fördern. Nur durften wir nie vorher lachen, nur danach, wenn die Volkspolizisten unsere Staubwolke schluckten und sich den Schweiß abwischten.

Trotz dieser Hinternisse kamen wir tatsächlich mit laufendem Motor nach Cuamba in das vielgelobte „Vision 2000“. Man hätte meinen können, dass der Name vom Jahr der Erbauung stammte, aber ich denke, in dem Jahr 2000, war der letzte begeisterte Gast zugegen oder man hoffte auf den Weltuntergang, damit man neu bauen könnte.
Allerdings gebe ich auch zu, dass es eigentlich gar nicht sooooooo schlimm war. Nur ein Ding war etwas gewöhnungsbedürftig. Auf dem Zimmer mit Ausblick gingen wir irgendwann trotz Verstopfung ins Bad und erlebten die erste Kunstleder-Toilettenbrille unseres Lebens. Ich hoffe ja immer noch, dass dies ein einmaliges Erlebnis in meinem Leben bleibt und schickte parallel Dankes-Gebete an den Superman-Bananenverstopfer Osman. Macht Eure Augen zu, stellt euch eine schwarze, leicht rissige, weich unterpolsterte Kunstleder-Toilettenbrille vor und genießt diese Vorstellung einen kleinen Moment.
Nicht nur wegen dem Drang garantiert nicht Platz nehmen zu wollen, fanden wir in dieser Nacht keinen Schlaf. Eine wilde Mischung aus Angst vor lebenden Toilettenbrillen, Hunger, der Technomusik der Stadtdisco von Cuamba und Aufregung hielt uns wach bis 3:45 Uhr als der Wecker klingelte. Noch ein trockenes Frühstück, denn es gab zwar Geschirr in Hülle und Fülle, als wäre das Hotel in der Hochsaison ausgebucht, aber für uns zwei Reise-Mädels gab es einen Hauch von Gar-Nichts zu Essen. Irgendwann will ich echt einen Kaffee!!! Doch nun ging es erst einmal los auf unsere „lustige Zugfahrt“.
Superman-Touristenführer Osman hatte uns nämlich überredet, die 350 Kilometer unserer Tagesetappe zwischen Cuamba und Nampula statt in unserem chaotischen Auto mit lustigen Polizisten-Anschiebeinlagen lieber in der zweiten Klasse eines Zuges zu verbringen. Wir hatten keine Ahnung, was uns da erwartete, aber ich bin unglaublich dankbar für dieses Erlebnis.
Osman setzte uns ohne Gepäck aber mit Taschenlampe in einen von beißendem Geruch durchströmten Zug in die zweite Klasse. Für ganze 9 € fuhren wir läppische 350 Kilometer in unglaublichen 12,5 Stunden mit der Diesellok (sorry Greta). Osman fuhr mit unserem Gepäck im Jeep und wollte uns am Abend am Bahnhof von Nampula Willkommen heißen. Superman-ich-kümmere-mich-um-Euch Osman klärte mit den Abteil-Mitreisenden noch schnell, dass sie nun seinen Super-helden-Job übernehmen müssen und weg war er. War dies eine dieser typischen Geschichten?
„Zwei Touristinnen vom Guide in der Wildnis ohne Essen und Trinken ausgesetzt und um ihrer Habseligkeiten beraubt, überleben nur knapp das Abenteuer ihres Lebens.“
Nein, es war eine der besten Erfahrungen, die wir in unserem Leben machen durften. Denn der Zug war kein Zug à la Deutscher Bahn, sondern es war der definitiv längste Shoppingtripp unseres Lebens. Die Zugfahrt mit einem vollen Zug voller leuchtender weißer Augen, denn mehr sahen wir im Dunkeln nicht, begann 5 Uhr und um 5:30 Uhr wurde uns dass erste Mal Schnaps angeboten. Es läuft also.

In unserem Abteil saßen bzw. lagen insgesamt 8 Personen in den 2 Etagen des Abteiles. Ein älterer beleibter Papa übernahm die Beschützer-Rolle von Osman und war gleichzeitig der beliebteste Mann im Ganzen Zug. Denn er hatte eine Flasche Whisky, die ab 5:30 Uhr in Mini-Mischungen mit Coke durch die Reihen ging. Das Mischverhältnis war meist 1:1, aber dafür hatte er gaaaanz viele Freunde. Alle Anderen im Zug beäugten uns neugierig, aber ließen uns in Ruhe. Wir bekamen oft den Fensterplatz, wenn ein Wechsel im Abteil angesagt war, damit wir auch alles gut sehen konnten. Nach einer Stunde fühlten wir uns wohl, die Temperaturen stiegen unaufhörlich und ich vermisste meine Kamera, die ich aus Sicherheitsgründen lieber bei Osman gelassen hatte. Diese nun kommende Shoppingtour hätte man in tausenden Bildern festhalten müssen. Hätte, hätte Fahrradkette.

Auf den 350 Kilometern hielten wir insgesamt 30 Mal, jedes Mal nur für 2-5 Minuten. Es war nicht so, dass wir an Bahnhöfen und Verkehrsknotenpunkten hielten. Nein, denn im besten Fall war es ein Dorf direkt an den Schienen, aber meistens war es einfach nur ein Punkt in der Landschaft der plötzlich zum Shoppingcenter wurde. Diese 5 Minuten Haltezeit liefen immer nach gleichen Regeln ab. Von überall her strömten Menschen schwer bepackt mit Essbaren zum Zug. Im Zug wiederrum drängten sich alle an die Fenster uns riefen, nein schrieen raus, was sie gerade gerne kaufen mochten. Und das wilde Handeln ging los. Man wollte Möhren, schrie „Möhren“ und plötzlich standen zehn Händler mit Möhren am Fenster und das Feilschen um den Preis ging los. Jeder dieser Haltepunkte hatte sich auf etwas Bestimmtes spezialisiert. So gab es Haltepunkte, die ausschließlich Tomaten anboten, oder andere, die Maniok präsentierten.
Kartoffeln in allen Farben und Formen, süß und festkochend; Möhren, Zuckerrüben, Zwiebeln, Salat, Maniok, Zuckerrohr, Tomaten, Nüsse, Lauch, Knoblauch, Mais, Eier mit oder ohne Hühner, Bananen, Melonen…
Manche Haltepunkte waren wie die Snackstationen und hatten alles zu bieten, inklusive lebender und toter Hühner, Schweine und leckerer Brötchen. Und im Zug hatten alle außer uns eine verdammt lange Einkaufsliste. Wir schauten uns das Treiben insgesamt 10 dieser Stopps genau an, bevor wir selbst aktiv wurden und ein paar der leckersten Brötchen ever kauften.

Gelegentlich fuhr der Zug schon los, während draußen oder drinnen noch die Warenübergabe erfolgte. Daraufhin wurde gerannt, geschimpft und geschrieen und einen Fahrgast haben wir dabei sogar an einen Zwischenstopp verloren. Aber er hatte dann wenigstens genug Möhren.
Es waren unglaubliche Erlebnisse, Gerüche und Bilder. Jeder bot uns etwas vom Gekauften an und ließ uns riechen, anfassen und kosten. Alle unsere Sinne waren beschäftigt. Der Zug wog am Ende der Reise bestimmt das 10-fache und kein freier Platz war mehr auf dem Fußboden oder auf den Sitzen zu finden. Alles voller Lebensmittel und wir mittendrin.
Ein Problem gab es jedoch. Schon mal versucht 12,5 Stunden nicht auf Toilette gehen zu wollen? Ich rief mir immer wieder die Bananenorgie in Erinnerung und dankte unserem Superman-Verstopfer Osman ein weiteres Mal dafür, aber es half alles nichts, irgendwann musste die Flüssigkeit zumindest raus, bevor die gelben Augen platzten. Und diese Erfahrung hockend über einem Loch im Boden, während man einbeinig versucht das Gleichgewicht zu halten und sein Geschäft zu erledigen, während das zweite Bein die Tür zuhält, weil man so gar nichts anfassen möchte, was nicht mit den nicht vorhandenen Desinfektionstüchern ausgelegt ist, das nenne ich wahre Körperbeherrschung. Und noch heute zolle ich meiner besten Freundin Steffi all meinen Respekt dafür, dass sie tatsächlich die ganze Zugfahrt ohne diesen Drang durchgehalten hat. Das Gelb in den Augen steht ihr so unglaublich gut.
Irgendwann hatten wir also die 350 Kilometer, 30 Einkaufsstopps und 12,5 Stunden geschafft und fuhren in den Bahnhof von Nampula ein und wurden uns des wahren Problems bewusst. Jeder der Mitfahrenden hatte ungefähr eine LKW-Ladung an Lebensmitteln eingekauft, aber nur 2 Arme zum Tragen und vor dem Zug standen gefühlte Zehntausende, die die Mitreisenden in Empfang nehmen wollten. Und wir suchten Osman, einen Afrikaner in einer Menge von tausenden Afrikanern. Beides schien unlösbar. Der erste Gedanke, der mir hier kam: Das nächste Mal legen wir Wert auf einen Albino-Guide.
Die Polizei sicherte die Massen, damit erst einmal alle in Ruhe aussteigen konnten und ihren klitzekleinen Einkauf um sich herum sicherten und wir hielten Ausschau nach unserem Superman Osman. Ein entsprechendes Superhelden Kostüm hätte hier ungemein geholfen, aber unser weißes Auto mit einem wild hupenden Superman-Hier-bin-ich Osman ging auch. Und so schafften wir es tatsächlich raus aus dem Bahnhof, hin zu unserem Gepäck und geschafft in unser Hotel ohne Kunstleder-Toilettensitz. Wir waren die glücklichsten Zugreisenden, die sich die DB niemals vorstellen könnte.
Im nächsten Kapitel geht es nun wieder weiter mit dem Jeep auf die Ilha de Mocambique und zu einer Zeitreise, die meinen Fotofinger strapaziert hat, nachdem er einen Tag quasi unbeschäftigt war. Denn die hier gezeigten Fotos entstammen der kleinen Kamera meiner Steffi, danke dafür.
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