Nach der Zugfahrt meines Lebens sollte es weiter durch Mosambik gehen und heute gibts hier ordentlich was auf die Augen. Bei all den Ländern, die ich sehen durfte, ist Mosambik eines meiner Lieblingsländer. Was nämlich sofort auffällt gegenüber anderen Afrikanischen Staaten ist die unglaubliche Sauberkeit. Ich bin jetzt zwar nicht der ordentlichste Mensch auf Erden, aber auch kein Messi. Und für Afrikanische Verhältnisse fiel auf, dass jedes Dorf aussah wie geleckt, Müll sah man nirgends, noch nicht einmal die typischen Plastiktüten, die im Laufe ihres langen Lebens zu Fahnen im Wind avancieren. Ich habe das Gefühl, hier wird alles irgendwie weiterverwertet. Selbst aus dem Zug hat keiner seinen Abfall aus dem Fenster geschmissen sondern an irgendeinem der Stopps jemanden anderen übergeben, der sich sogar dafür bedankt hat. Nur meine Bananenschale durfte ich rauswerfen, der Rest ging in die Wiederverwendung. Das ist nun wirklich nicht typisch afrikanisch und deshalb aber auch besonders hervorzuheben.
Auch finde ich die Menschen toll. Als DDR-Kind ist man quasi mit Genossen aus Mosambik gemeinsam aufgewachsen und hat mindestens einen Kuchenbasar für die vom Bürgerkrieg gebeutelten Mosambikaner ausgerichtet, leergegessen, oder beim Pionierappell geplant. Aber dies ist nicht der Grund für mein Schwärmen, sondern ihr Lachen, ihre Freundlichkeit und der fehlende Drang jeden Weissen zwanghaft anzubetteln. Wenn man hier von Kindern ein Foto machen will, fragt man höflich und die einzige Gegenleistung die erwartet wird, ist, dass man das Bild auf der Digitalkamera zeigt, denn dies ist so unglaublich spannend. Einige Kinder oder Erwachsene haben sogar uns gebeten, ein Foto zu machen.

Doch bevor ich mich in den Schwärmereien verfange, berichte ich mal lieber von der nächsten Etappe unserer Reise. Nach Nampula mit einer Toilette mit echtem Toilettensitz und einer richtigen Dusche (ja man lernt hier alles wieder zu schätzen), ging es an die Küste auf die Ilha de Mocambique. Als Teil des UNESCO Weltkulturerbes versprach es erneute Abwechslung für uns und mal eine ganz andere Seite von Afrika. Wer Tiere sucht, findet diese zumindest nicht überall in Mosambike. Durch den Bürgerkrieg blieb kein Tier größer als ne Hauskatze im Lande bzw. überlebte. Mittlerweile entstehen neue Nationalparks, aber so ein Elefant ist halt einfach ein typischer Elefant, der nicht so schnell vergisst und ziemlich nachtragend ist. Wenn mich eine Freundin früher immer mit alten Geschichten geärgert hat, habe ich sie auch immer liebevoll Elefant genannt.
Doch zurück zur Insel und der Anfahrt dahin. Wir erreichten die Küste während der Ebbe und somit konnten wir die 3,5 km lange Brücke auf Stelzen im Trockenen bewundern. Praktischerweise ist die Brücke ne Einbahnstraße. Bei über drei Kilometern ne echte Herausforderung sich mit Handzeichen klar zu machen, wer nun zuerst losfahren kann. Meine Erfahrungen in engen Straßen in Deutschland enden meist mit einem Schimpfkonzert des Entgegenkommenden, weil ich alle Zeichen der Vorfahrts-Wünsche böswillig ignoriere. In Schottland auf den Single-Treck-Roads war es irgendwie wieder einfacher. Scheinbar weil nicht so viele Deutsche unterwegs waren. Ähnlich in Mosambik und somit war die Überfahrt komplett unspektakulär.

Die Insel ist eher ein Inselchen mit 2,5 x 0,6 Kilometern Ausmaß, aber jeder Zentimeter ist es wert, denn mit Überschreitung der Brücke befanden wir uns plötzlich in einer Mischung aus Afrika, Kuba, Portugal, Argentinien und Persien. Natürlich auch gleich als Zeitreise, denn wie die Insel in ihrer Blütezeit aussah, musste man sich vor dem inneren Auge vorstellen, denn alles war einfach wunderschön verfallen. Und das meine ich nicht zynisch oder despektierlich, sondern es war wirklich wunder-wunderschön.
Zuerst fährt man durch die Lehmstadt, wo die Einheimischen meist sehr einfach in Lehmhütten leben. Doch gleich danach kommt Stonetown mit den Prachtbauten aus vielen Jahrhunderten von verschiedenen Belagerern erbaut und in dem letzten Jahrhundert zu großen Teilen auch wieder verfallen. Aber wenn mein Verfallprozess auch so wunderschön anzuschauen ist, bin ich dabei und verlasse meine ewigen 25 Jahre.

Eines stand vom ersten Moment an fest: Mein Fotofinger würde hier in die Überstunden gehen. Unser Superman Osman setzte uns an einem der herrschaftlichen Bauten ab und wir bezogen ein Zimmer mit sechs Meter hohen Wänden und traumhaften Fliesen und Fenstern, einem Innenhof zum chillen und einem Himmelbett unterm Moskitonetz. Und er verabschiedete sich für zwei Tage von uns. Zuerst dachte ich, er macht Scherze. Wir sind zwei Weibchen alleine auf einer Insel mit lauter Afrikanern? Okay, wir sind nicht mehr die Jüngsten und vielleicht auch nicht die Allerschönsten, aber auch uns würde jemand zu Hause vermissen. Vielleicht nicht sofort, aber irgendwann doch.
Aber mit der Zugfahrt hatten wir ja auch gelernt, dass wir Osman vertrauen können und wenn er sagt: „Macht Euch ein paar nette Tage auf der Insel.“ Tja, dann legen wir halt einfach los und machen, was er uns sagt.

Also los gehts, wir erobern unsere kleine Insel. Fangen wir mal im Norden an, beim Fort und dem umliegenden Strand. Hier schoss ich meine fast allerschönsten Sonnenuntergangsfoto’s. So schön, dass er noch heute auf Leinwand bei mir hängt und ich jeden Tag gedanklich am Strand Platz nehme bzw. versuche mich ausschließlich an den Fotomoment zu erinnern. Denn wir haben nach diesem Wir-chillen-etwas-am-Strand diesen Strand von unserer Liste der schönsten Flecken auch wieder gestrichen. Denn wenn man so am Strand liegt und chillt und fotografiert, und die liebe Steffi neben mir liegt und laut aus dem Reiseführer vorliest:
„Die besten Strände der Insel liegen beiderseits des Forts. Aufgrund der mangelnden Hygienevorschriften auf Ilha werden die Inselstrände allerdings als öffentliche Toiletten benützt.“
So schnell hat noch nie jemand am Strand seine Klamotten zusammengepackt und geschworen, dass er nie, nie wieder baden gehen will. Der Schwur hielt nicht allzu lange, aber auf der Ilha war’s das mit dem „Füße in den Sand stecken“. Die Bilder und Gerüche bekomme ich irgendwie immer noch nicht raus aus meinem Kopf, igitt. Könnte aber ne Erklärung sein, dass dieser Sonnenuntergang neben unserer Toilette hängt.

Irgendwann bekamen wir trotz dieses Erlebnisses Hunger und suchten ein Restaurant in der Nähe unserer Unterkunft, also auf der Insel. Da wir am „Strand“ auch noch frisch gefangene Tintenfische beim Trocknen beobachten durften, wollten wir alles nur keine Tintenfische essen. Kleines Problem an der Sache: hier sprechen alle Portugiesisch mit Akzent Mosambikanisch nur wir halt irgendwie so gar nicht. Aber kann ja nicht so schwierig sein, sind ja weltgewandt und wir raten einfach auf der Speisekarte. Nun mal ehrlich „Camarao“ sieht und klingt wie „Calamaris“ und fiel deshalb nicht in die engere Wahl. Dagegen „Lulu“ klang wie ein leckerer Fisch und so wählten wir diesen und bekamen natürlich unseren Tintenfisch. Ich altes Sprachgenie hatte trotz logischer Herangehensweise zu hundert Prozent versagt. „Camarao“ waren übrigens Garnelen und hätten uns sehr, sehr geschmeckt. Aber die Kartoffeln zum Pulpo haben spitze geschmeckt. Zu meiner Verteidigung möchte ich sagen, dass ich damals noch nicht, wie heute üblich, weltweit entspannt mit dem Handy online gleich mal Portugiesich im Schnelldurchlauf lernen konnte. Da hilft nur trinken und natürlich etwas mit Alkohol. Da versteht man sich komischerweise überall auf der Welt und so war betrinken gar kein Problem.
Naja fast kein Problem. Wir bestellten ja meist gleich zwei Gläser für uns zwei Personen. Die Kellnerin war so eine von der recht gemütlichen Sorte, die mit einer fast leeren Flasche, die nicht einmal für ein Glas reichen würde, zu uns schlürfte, um eben dies festzustellen, was wir schon beim Anheben der Flasche mit unserem Trinkerblick erkannt hatten. Also wurde zurückgeschlürft, die nächste fast leere Flasche geholt und nach ungefähr 4 Flaschenbodenleerungen hatten wir endlich ein volles Glas vor uns stehen. Halleluja, halleluja!

Aber auch am nächsten Tag, als der Pulpo, der Wein und der Strand verdaut waren, erkundeten wir weiter die Insel und fotografierten bis der Fotofinger glühte. Meine schönsten Foto’s mit Kindern aus Mosambik entstanden hier, genauso wie die tollsten Stadtbilder und Sonnen-Untergangsbilder. Aber auch die Kultur kommt mit Museen und reichlich Straßenmusik nicht zu kurz. Hier lohnt sich ein längerer Aufenthalt oder wie in unserem Fall, dass Versprechen wiederzukommen. Zwei Tage nach uns wurde die Insel überrannt, denn dann fand wie jedes Jahr ein großes Musikfestival mit 3.000 Gästen aus der ganzen Welt statt. Und wir fuhren weiter gen Norden, ohne dies erleben zu dürfen.


Nächste Etappe sollte Pemba sein und uns erwarteten 7-8 Stunden Fahrt, die nicht lustiger hätte losgehen können. Ein Franzose hatte uns in unserer Unterkunft gefragt, ob wir ihn mitnehmen, dann brauch er nicht 300 USD für ein Taxi bezahlen. Wir Gutmenschen dachten gleich an eine ordentliche Taschengeldaufbesserung für unseren Superman-Fahrer Osman. Also rein zu den Mädels in den Sachsen-Jeep. Aber man sollte nie von sich auf andere schließen, denn der blöde Franzmann gab unserem Osman gerade mal 25 USD für seine Tankfüllung. Aber das Karma wird sich schon irgendwann an ihm rechen.
Stimmt, der Teil war nicht lustig. Aber erwähnt werden musste er trotzdem, vielleicht lernt jemand anderes daraus. Aber lustig war unser Start dennoch. Man bedenke, dass die Ihla wie auch die Brücke nur aus Einbahnstraßen besteht. Nun waren wir an dem Tag das gefühlt einzige Auto auf der ganzen Insel und hätte meinen können, man kann hier die Verkehrsschilder ignorieren und den kürzesten Weg zurück zur Brücke suchen. Aber Pustekuchen, der Wachtmeister wies uns freundlich auf die Einhaltung der Regeln hin und wir fanden uns augenblicklich in einem Autoirrgarten wieder. Aber wir hatten ja was für unser Karma getan und so bekamen wir von einem lieben Museums-Guide vom Vortag auf unserem Fahrtweg unerwartete Hilfe. Denn er radelte mit seinem Fahrrad voraus und erwartete uns an jeder Häuserecke oder Kreuzung wild gestikulierend, um uns zu zeigen, wo wir nun lang müssten. Wir kamen uns vor wie Alice im Wunderland und wir fanden an allen Ecken Hilfe.
Ja, wir fanden einen Weg runter von der Insel, wobei ich auch eine Verlängerung mitgemacht hätte. Und wir fuhren nach Pempa und wurden den geizigen Franzosen Karl los. Doch was uns im Pempa erwartete und was wir erlebten, passt hier nicht mehr in Teil 3. Also später weiterlesen..
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