Eine Zugfahrt die ist lustig…Auf der Südostpassage durch Afrika..Teil 4

Ich gebe zu, dass mir langsam auch keine Kopfreise mehr für mein Fernweg ausreicht. Ich träume, wie es wäre wenn. Ich versuche mich an mein reisendes Ich zu erinnern und darin zu suhlen. Das ist zwar wie „ich träumte von Brad Pitt und wache auf mit einem Plüschigel im Arm“, aber es ist besser als gar nicht zu träumen. Und so probiere ich bei jedem Kapitel wieder intensiv zu träumen, den Fahrtwind im Gesicht zu spüren, Staub zu schlucken und ganz aufgeregt zu sein, was mich wohl nun auf der nächsten Etappe erwarten wird. So auch heute mit einer Dosis Reisetagebuch und den vielen kleinen Erinnerungen, die mir keiner nehmen kann.

Nach unserem ersten afrikanischen Weltkulturerbe und somit deutlich mehr Kultur als Tieren, fuhren wir weiter gen Norden und somit näherten wir uns langsam Tansania. Unseren unhöflichen Schmarotzer-Franzosen setzten wir in Pemba aus und danach bezogen wir erleichtert für 2 Nächte/Tage eine Hütte am Meer. Das türkisblaue Wasser vor der Hütte und der helle Strand versöhnten uns mit unserer Hütte. Wir hatten zwar eigentlich alles, was das europäische Herz begehrte und wir eigentlich gar nicht wollten, einen Kühlschrank, eine Klimaanlage und einen Fernseher, aber es gab 23 von 24 Stunden keinen Strom, sodass all diese Geräte völlig umsonst hier rumstanden. Wenn man schon in den Tourismus investiert, dann doch bitte in nützliche Sachen. Die drei genannten Gegenstände brauch kein Mensch, zumindest nicht im Urlaub in Mosambik. Sinnvoller wäre ein Beutel für die wunderschönen Muscheln, ein Fernglas für die unendlich vielen Sternschnuppen, und ein Schnorchel nebst Brille für das vor uns liegende Korallenriff.

Und all dies genossen wir die nächsten zwei Tage und ein Erlebnis möchte ich dann doch noch rauspicken, bevor es einfach weiter geht. Was mich in Afrika so fasziniert, sind die wunderbar unvoreingenommenen Menschen. Man lächelt sie an und erhält ein Lächeln zurück. Man spricht sie in ihrer Landessprache an und fragt, wie es Ihnen geht und man gewinnt begeisterte und interessierte Freunde für den restlichen Aufenthalt. Wenn ich in Deutschland jemanden einfach so anlächele, gibt es entweder ein motzendes:

„Was wollen Sie?“

Oder man wertet das Lächeln gleich als unbeholfenen Flirtversuch meinerseits, egal, wer das Gegenüber ist und ob es auch nur annähernd wie Brad Pitt aussieht. Da wird auch nicht reflektiert oder einfach nur angenommen, sondern nur davon ausgegangen, dass ich bestimmt einen unausgesprochenen Grund für das Lächeln habe. Das ist hier komplett anders. Hier ist es Freundlichkeit und Interesse und wird dankend angenommen und zurückgespiegelt.

So auch in Pemba. Steffi und ich lagen am Strand, genossen die Füße im Sand, den Salzgehalt in der Luft und die Afrikanische Sonne, die bekanntlich im August eher angenehm als röstend ist. Ein kleiner Junge kam vorbei und lächelte uns an, wir lächelten zurück, fragten wie es ihm geht und schon fragte er uns, ob er mal unser Buch ansehen könnte. Wir hatten nämlich unseren Reiseführer neben uns liegen und Kindern die Bücher lesen wollen, sollte man immer Bücher in Hülle und Fülle anbieten. So setzte er sich mit auf unsere Decke und blätterte Seite für Seite durch. Irgendwann kam noch ein Kumpel und so schauten sie sich gemeinsam die Bilder an und tauschten sich über das Gesehene aus. Wir konnten uns nicht verstehen und doch verstanden wir uns. Sehr philosophisch, ich weiß, aber es trifft es im Kern. Manchmal wünschte ich, so etwas wäre hier in Deutschland das Normale und Kinder könnten sich so frei und neugierig bewegen, wie dort auf der Decke von völlig Fremden am Strand von Pemba.

Dieses Erlebnis und das wunderbare Meer sind mir von Pemba in Erinnerung geblieben. Ansonsten war es für uns nur ein Ort der Durchreise auf dem Weg nach Tansania mit einer kurzen Dosis Meer. Unsere nächste Etappe endete somit auch kurz vor der Grenze in dem „Örtchen“ Mocimboa da Praia kurz vor dem Grenzfluss Rio Ruvuma, wo wir mit einer Fähre übersetzen sollten. Also soviel zur Theorie, an die wir noch fest glaubten, denn wir hatten ja unsere Reisebeschreibung und da stand in schwarzen Lettern etwas von einer Autofähre. Also was sollte schon schief gehen?

Obwohl wir eigentlich nur ein paar Kilometer vom Grenzfluss entfernt waren, klingelte der Wecker um 3:30 Uhr und wir wechselten ins Auto. Zwei Stunden später ging die Sonne auf und wir Vollblutromantiker genossen den zeitigen Sonnenaufgang. Im Hellen fiel uns auch auf, dass auf der Sandpiste außer uns im Auto noch unheimlich viele Menschen zu Fuß Richtung Tansania unterwegs waren. Dies war unser großes Glück, denn als wir uns kurz nach der Romantik im Sand festfuhren und unser Motor verreckte, hatten wir gleich zwei Probleme. Ohne Anschieben startet unser Sachsenflitzer nicht und wir zwei Mädels würden es nie alleine schaffen, uns aus dem Sand zu schieben. Superman-Autoversteher Osman musste ja die Hand auf unser sensibles Auto legen und wir mussten schieben. Die nächsten Fußgänger waren somit unsere Rettung, so dachten wir, und es wurde mit 7-facher Mannes- und Frauenkraft geschoben, was unsere Milchmädchenmuskeln hergaben. Aber der Motor blieb stumm und wir blieben stecken. Also überredeten wir noch weitere Fußgänger uns zu helfen und wir buddelten alle gemeinsam die Räder aus, holten Blätter und Äste, zum Grip finden. Doch auch das brachte nichts, denn unser Motor schwieg beharrlich. Wir versuchten es sogar mit dem Wagenheber um eine Rampe zu immitieren, aber die Lösung fanden wir erst, als Stunden später ein anderes Auto kam und uns kurzzeitig seine Batterie ausbaute und borgte, damit unser Auto wieder losstottern konnte. So kamen wir aus dem Sand, tauschten auf festem Untergrund wieder die Batterien und unsere Helfer mussten uns ein letztes Mal anschieben, bevor sie mit reichlich Belohnung weiterziehen konnten. Wir waren sooooo dankbar.

An dieser Stelle hätten wir schon stutzig werden müssen. Denn Superman-Ich-weiß-Bescheid Osman wurde gar nicht nervös aufgrund des Zeitdrucks einer wegfahrenden Autofähre. Aber sonnengeröstet und übermüdet wie wir waren, machte uns an diesem späten Morgen so gar nichts stutzig.

Kurz darauf kamen wir an die Grenze bzw. die Ausreisestation von Mosambik und wurden mit der Frage überrollt: Wo wir denn hinwollten? Na, nach Tansania, wohin denn sonst? Noch so ein Punkt, wo wir hätten stutzig werden müssen. Aber auch hier waren unsere Gehirnzellen noch im Schlafmodus und so ging es die letzten 3 km zum Fluss. Dort angekommen, informierte uns erstmals unser Superman-Problemlos, dass die Autofähre vor einigen Monaten gesunken ist und eine neue Fähre nicht da ist und wir somit noch nicht so genau wissen, wie wir über den verdammt breiten Fluss kommen sollen. Alles klar, alle wussten es schon vor uns, außer wir. Ich kam mir kurzzeitig, wie die seit Jahren betrogene Ehefrau vor, die keine Ahnung von dem Offensichtlichen hatte. Doch Superman-Miststück Osman hatte natürlich schon einen Plan. Nur war ich mir nicht sicher, ob dieser mir gefallen würde.

Denn wo keine Autofähre ist, bauen wir uns halt mal eine Fähre. Ja, ihr habt richtig gelesen, wir sollten unsere eigene, frisch gebaute Autofähre bekommen. Ich gebe ja zu, dass diese Wahl alternativlos war, denn den Fluss umfahren ging nicht, eine andere Fähre gab es nicht und auf der anderen Seite wartete auch kein Zweitwagen auf uns. Aber wie sollte die Mission aussehen? Weit und breit nur alte, kleine Holzboote mit Löchern, aber nichts, was einer Autofähre ähnelte.

Superman-Das-schaffen-wir ging nun mit ca. fünf Leuten zum Verhandeln. Der Verhandlungsprozess in dem es nur um Geld ging, dauerte fast eine Stunde und zwischenzeitlich hatte ich Befürchtungen, dass Osman uns als Verhandlungsgut mit einbringen würde. Aber er war auch ohne dieses „Kleingedruckte“ erfolgreich und so ging der Bau UNSERER Fähre los. Für läppische 250 USD wurde aus drei dieser löchrigen Boote mithilfe von Seilen, langen Stöcken und Brettern unsere eigene Autofähre gebastelt. WOW. Mein Bastelschrank und mein Talent zum improvisieren hätten hier schon längst die Grätsche gemacht und die weiße Fahne gehoben, aber mit Hilfe von ungefähr 20 wohl erfahrenen Spontan-Schiffsbauern gelang das Wunder und wir hatten unsere eigene Fähre. Okay ich hätte immer noch ein echtes Boot vorgezogen, aber bei soviel Einsatz waren wir einfach nur begeistert und motiviert.

Jetzt mussten wir nur noch mit unserem Sachsenflitzer und unserem Ich-kann-nicht-schwimmen-Superman auf die Fähre kommen, was einer Mondlandung in nichts nachstand. Er schlotterte wie Espenlaub während er zentimetergenau die Bretter auf unsere Fähre treffen musste. Ich überlegte, ob umkehren eine Alternative ist und schoss lieber ein paar Foto’s anstatt mich gedanklich damit auseinander setzen zu müssen, ob dies hier eine gute Idee ist. Hier sagen die Bilder einfach mehr als Worte und deshalb lasse ich diese einfach wirken.

Ich war nur froh, dass wir tatsächlich über den Fluss kamen, unser Auto und das Gepäck trocken blieben und die Hippos unser Ungetüm in Ruhe ließen. Bei der Einreisestation von Tansania wurden wir gebührlich willkommen geheißen, als hätten wir gerade die neue Welt entdeckt und so zahlten wir glücklich unser Visum.

Wir mussten es nur noch nach Rovula schaffen, doch auch hier kam eine bestechungssüchtige Polizeikontrolle nach der nächsten. Hier im südlichsten Tansania wollte man den Druck etwas erhöhen. Z.B. mit der Information, dass unsere Unterkunft gar nicht mehr existierte, was der Kirsche auf meiner heutigen Sahnetorte entsprochen hätte. Wir waren ja erst ca. 15 Stunden unterwegs. Superman-Nicht-mit-mir Osman rief allerdings gleich den Eigentümer an, der seine Existenz bestätigte und damit dem Volkspolizisten die Argumente raubte. Bei der nächsten Kontrolle sollte plötzlich die Straßennutzung 20 USD pro Person kosten. Natürlich nur zahlbar für Touristen im Auto. Aber auch hier blieben wir hart und kamen irgendwann tatsächlich mit Notlügen und Vertröstungen in unser Camp und uns erwartete das Paradies.

Vom Paradies, Baywatch und der Erklärung, wie ich zum Feuerspucker wurde, werde ich im nächsten Teil berichten. Also dran bleiben und der Geschichte oder sogar meinem Blog folgen und nichts verpassen.

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