Silvester in Wien mit ganz schön viel Familie – Teil 1

Nach den Tagen der Völlerei, die andere auch Weihnachtsfeiertage nennen, dem unrühmlichen Aufreißen von Geschenkverpackungen bis zum völligen Über-Konsum und der strategischen Ignoranz der Personenwaage, galt es nun die Urlaubszeit zu genießen. Und wo kann man mehr entspannen als in seiner Heimatstadt? Na in einer der überfüllten und angesagten Metropolen von Europa.

So entschieden wir erst recht spontan die Silvestertage in Wien zu verbringen. Mit spontan meinen wir ca. 3 Monate Vorlauf und somit überhaupt noch der Chance auf noch bezahlbare Unterkünfte. Denn dieses Jahr hing am Wiener Ortseingangsschild der deutliche Hinweis:

„Völlig ausgebucht!
Auch die hinterletzten Absteigen wurden erfolgreich an Touristen vermietet…“

Da der Innenstadtring nur noch für Beträge vermietet wurde, die an einen Wohnungskauf erinnerten, verschlug es uns Richtung Donau, in ein sehr ruhiges Wohnviertel. Gleich beim Einparken schlossen wir Bekanntschaft mit den Wienern. Eine freundliche Wienerin wies uns nämlich darauf hin, dass wir gar nicht auf die Idee kommen brauchen, HIER parken zu wollen. Schließlich ist der gesamte Bezirk reserviert für die Anwohner. Ist ja ne schöne Sache, wenn man so einen Anwohnerausweis hat. Aber wir mit unserer Tagesmiete in einem angeblichen Hotel, welches unerkennbar hinter den Mauern eines normalen Mehrfamilienhauses schlummerte, hatten wenig Argumente, als Anwohner zu gelten. Also, um nun nicht einen Bezirk in Wien suchen zu müssen, der mit dem Parken von Touristen etwas weniger streng umgeht, buchten wir schnell den zum Hotel gehörigen Tiefgaragenstellplatz. Man gönnt sich ja sonst nichts. Aber wenigstens würde unser Auto sicher in der Tiefe verweilen, während die schönen Anwohner-Autos als Abschussrampen für das Silvesterfeuerwerk genutzt werden. Davon ging ich nach Leipziger Erfahrungen des all-silvesterlichen Straßenkampfes jedenfalls aus.

Übrigens war die Wienerin äußerst nett und zuvorkommend. Denn schließlich hätte sie unser Schicksal auch in die Hände des nächsten Abschleppdienstes legen können. Stattdessen warnte sie uns mit ihrem Wiener Charme:

„Do könnts abo net stehn bleim. des werd dickschottn kostn.“

Also schnell die Koffer in die Unterkunft, damit die Stadt erobert werden kann. Zum Thema schnell, möchte ich noch erwähnen, dass meine Lunge in Zusammenarbeit mit meinen Beinen weniger begeistert davon war, dass sich laut Beschreibung unser gebuchtes Appartement in der 7. Etage ohne Fahrstuhl befand. Also auf zum Treppenmarathon a la Empire State Building. Doch ganz so schlimm war es dann doch nicht, denn es handelte sich nur um sieben halbe Etagen, die in Summe zwar Beine und Lunge zum Jammern brachten. Aber auch mit einem lachenden Auge, denn es hätte schlimmer kommen können.

7 Etagen hin oder her, wir waren ja nicht zum Treppen steigen hier, sondern um Wien zu erkunden. Dazu muss man sagen, dass wir Wien-Liebhaber und -Wiederholungstäter sind. Ich bin nun schon zum 6. Mal hier und kann nicht genug bekommen von dieser Stadt. Doch es ist unser allererstes Silvester hier und das muss gefeiert werden. Also schnell mit der U-Bahn innerhalb von nur 15 Minuten in die Innenstadt und rein in den Trubel. Den Hinweis am Ortseingangsschild hätten sie sich spätestens hier sparen können, denn die gesamte Innenstadt war voller Touristen. Alle im Kaufrausch oder mit Glühwein oder Schampus in der Hand. Denn dass wirklich schöne an dieser Stadt ist die Weihnachtsbeleuchtung und die Tatsache, dass hier einige der Weihnachtsmärkte bis ins Neue Jahr geöffnet haben. Neben der Tatsache, dass hier genauso oft Champagner ausgeschenkt wird, wie Glühwein bei uns zu Hause.

Und bevor wir all dieses genießen würden, gab es den ersten Familienzusammenschluss. Denn nicht nur wir wollten hier Silvester feiern, sondern auch meine Eltern. Diese nächtigten aufgrund ihrer Langzeitplanung sehr zentral und mit einem echten Fahrstuhl. Ich würde ja gerne tauschen, aber meine Eltern verweigern sich dieser Idee völlig. Da kann ich alles in unserem Apartment anpreisen, als wäre es von Sissi persönlich ausgewählt worden. Es hilft nichts.

Also schlendern wir als erstes durch den wundervoll geschmückten „Graben“ hin zu einem Must-See-Stopp, zum „Zum Schwarzen Kameel“. Und damit stellt sich mir die erste wichtige Frage des Tages: Heißt es nun: zum „zum schwarzen Kameel“ oder „zum schwarzen Kameel“?? Eine grammatikalische Frage, die mich bei ihrer Erörterung dazu treibt, im „zum Schwarzen Kameel“ einen Wein trinken zu wollen. Aber wie am Ortseingangsschild schon angekündigt, ist die Stadt voll und damit auch diese Traditionslokalität. Und um Sittenwächtern und Moralaposteln gleich Einhalt zu gebieten, es handelt sich hier nicht um einen diskriminierenden Namen, denn das Restaurant wurde von seinem Begründer, dem Herrn Cameel, in einem Anflug von Humor bereits 1618 so benannt. Also schön entspannt weiter schlendern durch das wunderbare Wien.

Nächster Versuch der alkoholischen Getränkeaufnahme war die Ferstel Passage mit zahlreichen Freisitzen und Lokalitäten. Und dort fanden wir auch die zweite Austern- und Champagnerbar des Tages. Gefühlt gibt es hier irgendwie deutlich mehr Champagner als Glühwein, also rein mit dem guten Zeug und somit offiziell in Wien aufgenommen.
Das mit den Austern haben wir mal den anderen dekadenten Wienern und Touristen aus dem östlichen Block überlassen. Ich bin da immer etwas voreingenommen, den schlüpfrigen Scheißerchen gegenüber. Wien liegt ja nun nicht gerade am Meer und die Außentemperaturen liegen hier auch deutlich über Null. Da traue ich doch eher dem Champagnerkühlschrank, als dem Eiswürfel unter dem Austerchen.

Wir jedenfalls bewegten uns nun beschwingt blubberig durch den Innenstadtring, um einen ersten Hauch Wien aufzuschnappen. Vor allen Café’s aus dem Reiseführer bildeten sich unglaublich lange Schlangen, so zum Beispiel vor dem Café Central, dem Café Demel und natürlich auch bei Sacher mit dem 1000 Kalorien-Tortenstück. In alle anderen Café’s kam man mit deutlich weniger Wartezeit rein und sicherlich auch mit deutlich kleinerer Rechnung wieder raus. Wir hingegen waren zum Abendessen verabredet.

Das Schöne an weit vorausplanenden Eltern ist nämlich, dass sie schon vor Buchung des Hotels für jeden Abend einen Tisch in einem der angesagten Restaurants gebucht haben. Und wer heute spontan etwas in einem dieser Restaurants in der Innenstadt essen möchte, weiß nun, dass dieses Vorausbuchen wirklich Gold wert ist. Denn ansonsten hört man in Dauerschleife:

„Mir san ausgebucht.“ oder „Es gibt koane freien Plätze mea!“

Wir stattdessen hatten im „Plachutta“ einen Tisch reserviert und befanden uns somit in der nächsten Gelddruckmaschine der Stadt. Zwar existiert es noch nicht seit Jahrhunderten, aber es ist nahezu genauso bekannt unter Wien-Liebhabern. Und zu diesen zählen wir ja schließlich, also sind wir auch hier mittlerweile schon fast auf dem Status eines Stammgastes. Vielleicht laufen wir inoffiziell noch unter Wiederholungstätern, aber wir fühlen uns heimisch. Und das nur, weil es nirgends so leckeren Tafelspitz gibt wie hier. Von der Brühe, über die Stulle mit dem Mark aus dem Knochen, bis hin zum Tafelspitz selbst, inklusive der Beilegen eine wahre Köstlichkeit. Nur scheinen die Österreicher definitiv andere Aufnahmekapazitäten im Bauch zu haben. Deshalb mein Tipp: Eine Portion zu zweit essen und man geht sehr zufrieden wieder raus.
Auf dem Gang zum WC kann man übrigens bildlich bewundern, wer noch alles seinen Magen mit Tafelspitz überfüllt hat und während ich auf so Größen wie John Malkovich oder Bette Midler achte, entdeckt unser Fussballverrückter Sohn natürlich Maradona und Pelé. Also für jeden etwas dabei.
Ich frage mich nur, wann endlich das Foto mit mir aufgehängt wird. Schließlich sind wir doch schon Nahezu-Stammgäste. John Malkovich war schließlich auch erst zweimal da.

Aber dieses „ich will auch“-Gefühl wurde schnell verdrängt von dem „ich muss mich bewegen“-Gefühl. Und so spazierten wir noch durch das nächtliche Wien und begutachteten die langen Schlangen vor den Restaurants, die wunderbaren Lichter der Stadt und die vielen, vielen promenierenden Touristen. Doch hatte uns der erste halbe Tag Wien schon so einiges abverlangt und so zogen wir gen U-Bahn und anschließend in unser Bettchen. Was wird uns morgen hier erwarten?

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