Eine Zugfahrt die ist lustig…Auf der Südostpassage durch Afrika..Teil 6

Zurück in den Süden von Tansania. Gerade war ich noch Schwimmlehrer für ein paar Inder, hatte eine von Schärfe betäubte Zunge und meine Füße im Sand und schon erwartete uns einhundert Prozent Abwechslung zum Strandleben. Superman-Chauffeur Osman fuhr uns Richtung Norden ins Land der Kilwa’s. Hier bekommt ihr keine erstklassige Übersetzung für das Wort Kilwa, habe ich nämlich nicht gefunden, sondern nur etwas Geschichte um die Ohren bzw. Augen. Kilwa ist einer von sieben Bezirken in ehemals Deutsch-Ostafrika, sozusagen wie der Bezirk Leipzig. Nur das hier jeder Ort den Namen Kilwa, also den Bezirksnamen in sich trägt. Also besuchten wir Kilwa Kivinje, also Kilwa bei den Kasuarinen-Bäumen und Kilwa Kisiwani, also Kilwa auf der Insel und Kilwa Masoko, also Kilwa mit den Märkten. Ich schätze Euch geht es jetzt wie mir damals, ich verstand nur noch Kilwa und war gänzlich verwirrt. Wobei ich heute noch stolz bin, dass ich die Ortsnamen ohne Knoten in der Zunge aussprechen kann.

Wie auch auf der Ilha de mocambique fanden wir uns in einem lebenden Museum des UNESCO-Weltkulturerbes wieder und wir konnten alle Einflüsse der Besucher der Jahrhunderte beeindruckend sehen. Araber, Inder, Chinesen, Deutsche, Portugiesen, Perser, alle waren sie hier und haben ihre Fußabdrücke hinterlassen. Und nun standen wir hier in unseren Flipflops und wollten all das sehen, deuten und uns etwas in der Zeit zurückversetzen lassen. Wer Kulturen und ihre Hinterlassenschaften sehen will, sollte die Kilwa’s auf seine Liste setzen.

Wir jedenfalls schlugen unser Lager in Kilwa Masoko auf und zum Namen passend gingen wir erst einmal auf den Markt, denn ich brauchte dringend ein neues Notizbuch für mein Reisetagebuch und frisches Obst für meinen Magen. Bei beiden half uns natürlich Superman-Shoppingbegleiter Osman. Danach wechselten wir nach Kilwa Kivinje, der Hafenstadt. Die zugrundeliegenden Bäume habe ich gar nicht erst gesehen, sondern war geflasht von den vielen Einflüssen in der verrotteten Architektur. Die Deutschen haben sich wohl damals in Deutsch Ostafrika nicht von ihrer besten Seite gezeigt, denn alles was von Ihnen zu sehen war, waren drei Gebäude, denen man die deutsche Langweiligkeit und Geradlinigkeit ansah und ein Mahnmal zur Erinnerung an ihre Gräueltaten. Die deutsche Zeit ist wohl am besten mit dem Wörtchen Ausbeutung zu umschreiben, doch leider gehört auch dies zur bunten Geschichte dieser Region dazu, die seit tausend Jahren ununterbrochen und noch andauernd ausgebeutet wird.

Und so schlenderten wir durch die Hafenstadt und fingen den Charme der Jahrhunderte ein. Charme hatten auch die getrockneten Fische, die geruchstechnisch die gesamte Stadt besiedelten. Für heute hatten wir genug Kilwa und der Hauch von Scham für die deutsche Kolonialherrschaft lag uns auf dem Gemüt. Da half es auch nicht, dass genau an diesem Abend irgendwie nur Deutsche mit uns in der Lodge zu Abend aßen. Auf der gesamten Strecke bisher haben wir nicht einen Landsmann gesehen und hier im Land der unschönen deutschen Vergangenheit trafen wir gleich ganze Reisegruppen? Ist das sowas wie Sensations-Tourismus? Ich habe Angst, mir diese Frage mit „Ja“ beantworten zu müssen. Da half nur eines: sich nicht auch als Deutsche outen, schön die Klappe halten, Bierchen mitnehmen und vor der eigenen Hütte trinken und über das Erlebte nachdenken und es bewerten.

Am nächsten Morgen sollte es nur zur Kilwa auf der Insel, Kilwa Kisiwani, gehen und so kamen wir zu unserer ersten Fahrt mit dem Dhau. Auf meine Sonnenuntergangsbilder hatten es schon einige Dhau’s geschafft, aber das ich mit einem reisen durfte, war nochmals schöner. Okay, ein Dhau ist auch bloß ein Segelboot, aber doch hat es irgendwas von alten Abenteuern, Weltentdeckern und war verdammt fotogen und gemütlich dazu.
Die Insel selbst wurde bereits vor über einem Jahrtausend gegründet. Steinalt sozusagen und überall lagen sie rum, die Steine aus dem letzten Jahrtausend. Wir schlenderten durch Ruinen, mal besser, mal schlechter erhalten. Vom Sultanspalast über Gräber war alles dabei und mein Fotofinger glühte.

Warum ich so begeistert von den Steinen berichte? Weil es Kultur zum Anfassen war und wir das vergangene Jahrtausend erspüren konnten. So viele Kulturen auf kleinster Fläche und alle haben sich doch irgendwie beeinflusst und manchmal auch bereichert. Das hat letztendlich auch unsere gelebte Welt so bunt gemacht. Und eine bunte Welt, unendlich viele Kulturen und Einflüsse sind das Beste, was uns für unser Jahrtausend mitgegeben wurde. Ich wünschte, dies würden alle Erdenbewohner so sehen. Und ja, ich verstehe mich als einer von vielen Erdenbewohnern, kein Deutscher, kein Sachse, sondern nur einer von vielen, der das Glück hat auf dieser Welt zu leben.

Neben der vielen Kultur gibt es natürlich noch mehrere Gründe diese Welt zu lieben und das sind unter anderem die Tiere von Afrika, die unendlichen Weiten und das Gefühl von Freiheit. Und nach über zwei Wochen ohne eine Tiersichtung größer als eine Fliege, wurde es Zeit für uns, dieses Afrikagefühl einzuheimsen.

Also fuhren wir in das Selous Wildreservat, welches jahrelang eher kaum besucht wurde, da hier die Tsetse-Fliege ihr Unwesen trieb und die sogenannte Schlafkrankheit verbreitete. Manchmal denke ich ja heute noch, dass mich so ein Ding gestochen hat. Die Symptome stimmen, ich bin immer müde, besonders morgens um sechs, wenn mein Sohn mich weckt. Manchmal auch, wenn er mich Nachts nicht schlafen lässt oder mein Wochenend-Mittagsschläfchen boykottiert. Ich hätte ihn lieber „Tsetse“ nennen sollen, denn irgendein DNA-Abschnitt muss in beiden vorhanden sein, im Sohnemann und in der tagaktiven Fliege. Anders kann ich mir die Langzeitwirkungen nicht erklären.

Aber bevor wir die ersten Tierchen größer einer Tsetse-Fliege sahen, ging es 8 Stunden auf die Piste. 8 Stunden für knapp 200 km und somit kann sich jeder vorstellen, wie die Pisten wohl aussahen. Es gab also eine African-Massage gratis und jeder Muskel wurde locker geschüttelt. Gleichzeitig schwitzten wir jeden Tropfen den wir oben reinschütteten direkt am Hals schon wieder aus. Es war furchtbar warm, die Klimaanlage hatte wohl das letzte Mal vor 200.000 Kilometern funktioniert und die Fensteröffner waren auch nur noch als Flaschenöffner zu gebrauchen. Aber all dies gehörte zu unserem geliebten Sachsenflitzer und zu Osman. Einmal kreuzte uns eine Wagenkolonne und wenn ich Kolonne schreibe, so verdient diese wirklich den Namen. Ca. 100 Fahrzeuge, nein Limousinen kamen uns entgegen. Die müssen so wichtig gewesen sein, dass unser Sachsenflitzer vor Scham in sein eigenes Lenkrad biss. Angeblich war es die Kolonne vom Präsidenten Tansanias, aber das kann ich kaum glauben. Wobei, der ganze Rest vom südlichen Tansania hat keine 100 Fahrzeuge zusammen, also muss es irgendjemand mit Größenwahnsinn gewesen sein. Und so schluckten wir den Staub von 100 größenwahnsinnigen Fahrzeugen und hofften, dass dies irgendwann ein Ende hat. Vielleicht nehmen sie es ja zum Anlass mal den Straßenbau zu bezuschussen statt die ausländische Autoindustrie. Nur so ne Idee.

Irgendwann kamen wir dann doch im Ndovu Tented Camp an und fühlten uns gleich mächtig wohl. Ein Zeltlager ganz für uns alleine, mal wieder. Irgendwie hatten wir immer die Unterkünfte ohne andere Gäste, langsam zweifelten wir an unserem Geruch. Hier erwarteten uns 4 einsame Tage mit Tieren ohne Ende, lustigen Toilettenabenteuern, noch spannenderen Nächten und einem tränenreichen Abschied. Doch dazu mehr im Teil 7 und danach gehts ab ins Reisebüro und es wird eine Weltreise gebucht.

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