Wenn Du Romantik willst und ein Rundbogenfenster geschenkt bekommst

Zwei klasse Tage liegen hinter uns und vor lauter „klasse“ bin ich nicht zum schreiben gekommen. Nun gebe ich mir mal alle Mühe, zumindest die lustigen Gedanken und Ergebnisse wieder rauszufiltern und diese in Worte zu fassen. Fangen wir mal mit dem gestrigen Tag an, denn wir machten Wander-Wiedergutmachungsprogramm für unseren Sohnemann. Es ging ab in den Leipziger Zoo. Mit Test und Offenlegung des kompletten Lebenslaufes, damit man auch ja kein Risiko darstellt. Den Test absolvierten wir in einem Testzentrum in Grünau, ein ganz schnelles Rein-Raus in die Nase und wir erkennen neidlos an, dass Georg dies deutlich besser erträgt als wir. Und direkt nach diesem tiefbohrenden Ereignis ging es rein in den Zoo. Ich erwartete ja so eher überschauliche Zuschauerzahlen ob der Testbedingungen, also so wir und noch vielleicht hundert andere Besucher.

Doch hier klaffte Realität und Wirklichkeit extrem auseinander, denn eigentlich war der Zoo so gut gefüllt wie zu besten Ferienzeiten. Also reden wir hier eher über Tausende Besucher, wenn nicht eine Million, zumindest gefühlt. Nun waren wir ja alle getestet und dokumentiert, aber kann mir irgendjemand bitte mal erklären, warum ich mir kein Boot ausleihen darf, aber im Zoo mit Tausenden zusammen auf Tiere hinter Gitter starren darf. Ich verstehe es nicht.

Und ich schätze, die Tiere im Zoo verstehen es auch nicht. Schluss mit der himmlischen Ruhe der letzten Monate. Nun müssen Sie wieder die Geräuschkulisse und die vielen Augen ertragen, das Geschrei der Kinder, die doch so gerne ein hundertstes Spielzeug oder Eis wollen, das Quietschen der Kinderwagenreifen und das Namenrufen der verzweifelt suchenden Eltern.

Irgendwie waren die Tiere dennoch die entspanntesten im ganzen Zoo. Denn sie chillten und dösten und ignorierten uns alle komplett. Die Technik möchte ich echt auch drauf haben, aber ohne jahrelang hinter Gittern zu leben.
Ich bin beim Thema Zoo ja immer sehr hin und her gerissen und rede mir ein, dass der Leipziger Zoo wenigstens noch ein Vorzeige-Zoo ist. Aber wenn man den Leoparden seine Kreise ziehen sieht, will man trotzdem die Leine raus holen und mit ihm mal ordentlich auf einer großen Wiese Gassi gehen. Also so oder so ähnlich.

Naja, was die Leine angeht, so hatten wir ja Georg mit und der nutzte seine lange Leine um ausführlich die Spielplätze zu bespielen. Während er am Anfang ein Tempo hinlegte, dass darauf hindeutete, dass wir in 20 Minuten den ganzen Zoo gesehen haben, so hatte sich dieses Abhaken-Tempo ab Spielplatz Bärenburg erledigt. An solche Spielplätze verliert man sein Kind und kann froh sein, wenn man es kurz vor der Einschulung wiedersieht. Jedesmal denke ich am Ende: Mensch ist Georg gewachsen! Dieses Mal war ich sogar kurz davor einen Rundruf zu starten:

„Der kleine Georg möchte bitte seine zwei Eltern an der Kaffeebar abholen, da sie aufgrund eines Kaffeeschocks nichts mehr trinken können.“

Aber unser Sohn hatte irgendwann Erbarmen mit uns und es gab ja noch sooo viel zu sehen. Auch wir kamen nicht an dem Souvenirshop ohne Auswirkungen vorbei. Schließlich haben wir ja Urlaub und im Urlaub macht man Ausnahmen. Doch schlussendlich haben jedoch wir Eltern gewonnen, denn nach dem Zoobesuch war das Kind kaputt und konnte schlafend bei den Großeltern abgegeben werden. Wir hatten noch etwas anderes vor.

Ein gesellschaftliches Ereignis, wie wir es seit Jahren nicht mehr erlebt hatten. Ein Abend, der an Spannung, Aussicht und gastronomischer Begleitung seines Gleichen suchen würde. Ein Abend, bei dem ich vor der Entscheidung „kleines Schwarzes“ oder „Jogginghose“ stand und mich doch für die bequeme Jeans, die verschlammten Schuhe und die Decke von der Couch entschied. EIN ABEND IM AUTOKINO.

Wir hatten Karten für den ersten Autokinoabend in diesem Jahr auf dem Porschegelände. Jetzt versteht ihr vielleicht auch die Überlegungen zur Kleiderwahl. Einerseits will man in diesem edlen Ambiente mit dem kleinen Schwarzen aufwarten, wenn man schon nicht im Porsche vorfährt, aber andererseits sitzt man doch im Auto und da wäre so ne Jogginghose auch ganz praktisch und bequem. Natürlich blieben wir ganz natürlich und trumpften nur mit einem Porschebeutelchen inklusive Verpflegung auf. So ein klein Bissl Dekadenz muss schließlich sein. Schließlich hätten wir uns auch einen Porsche zum Vollkrümeln mieten können, dass wäre wesentlich dekadenter gewesen.

Zwei Dinge habe ich dann neben der Klamottenwahl zum Thema Autokino auch gelernt. Erstens macht es wirklich Sinn, vor dem Autokino nochmal die Frontscheibe zu putzen. Denn wenn man während des Filmes immer überlegen muss, ob der schwarze Fleck nun ein Schminkfehler des Schauspielers ist, oder doch nur eine zerquetschte Fliege, dann wird es im Frühling mit vollen Windschutzscheiben echt anstrengend. Ich frage mich jetzt noch, ob das viele Blut von meiner Windschutzscheibe oder den angeschossenen Gängstern kam.

Und der zweite Lerneffekt war, dass DAB-Empfang im Autokino echt nicht von Vorteil ist und so ein schönes UKW-Radio einfach mal in jedes Auto gehört. Da gibt es nämlich eine Sprachverzögerung, die gerade bei Krimi’s echt von Nachteil sein kann. Denn Du siehst, dass jemand erschossen wird schon bevor geschossen wird. Noch blöder wäre es sicherlich wenn du erst den Schuss hörst und die Wirkung, dann Sekunden später eintritt, aber störend ist es rum wie num.

Ich habe mir somit abgewöhnt, auf die Lippen der Schauspieler zu achten, um damit gewissen Abweichungen eine dramaturgische Bedeutung zu verleihen.
Doch jetzt war ich schon mitten im Film, dabei war doch der eigentlich besondere Teil an diesem Abend die Fahrt über die 180-Grad Rechtskurve Parabolica zur Kinoleinwand. Endlich mal auf einer Rennstrecke ohne Blitzer zum Kinosessel. Soviel zu unserer Erwartungshaltung. Die Realität sah leider ganz anders aus, denn vor uns vor ein Porsche-Instruktor mit 30 km/h, dem wir folgen sollten. Mal ehrlich, mit 30 km/h über eine Rennstrecke. Das ist wie mit dem Rollator auf dem Lausitzring. Das kann doch nur ein Versehen sein.

Naja, nun schwirrten in dieser Situation zwei Möglichkeiten durch unseren Kopf. Erstens Blinker setzen, am Porsche-Instruktor vorbei heizen und den Abend ohne Autokino verbringen. Oder ganz versehentlich noch langsamer zu fahren um eine große, große Lücke zwischen uns aufzubauen und dann wenigstens diese mit Vollgas zu schließen. Wir entschieden uns für die zweite Variante, denn so hatten wir notfalls noch eine Ausrede für die 240 km/h. Wir wollten ja schließlich nur aufschließen zur Gruppe. Übrigens, die nach uns Fahrenden fanden unsere Idee auch deutlich besser als die konstanten 30 km/h und wir hatten alle eine halbe Kurve lang richtig Spaß.

Das wir nicht doch noch rausgeflogen sind, grenzt überhaupt an ein Wunder. Denn den umliegenden Benzingeschwängerten Gesprächen der Autoprofi’s vor Filmbeginn konnte ich so gar nichts abgewinnen und als ein Nachbar fragte, was „der“ so von 0 auf 100 macht, konnte ich nur Antworten: „Brumm“.
Beim nächsten Kinobesuch kann ich diesen eigentlich nur noch toppen, indem ich meinen Grill mitbringe, während ich den gemieteten Porsche vollkrümele.
Aber der Film war wirklich toll:)

Dieses ausschweifende Nachtleben brachte uns aber nicht dazu, auf den heutigen Wandertag zu verzichten. Und so ging es zur Arche Nebra und dem Fundort der Himmelsscheibe. Im Gegensatz zum Zoo waren wir heute die einzigen, die die Idee hatten, hier vorbei zu schauen. Und so genossen wir unsere menschenleere Wanderung. Georg war heute mal Ritter, bewaffnete sich mit Pfeil und Bogen und sicherte nach allen Seiten das Gelände ab. Hätte ja sein können, dass sich doch noch irgendwo ein Wandersmann versteckt.

Aber selbst am Fundort des Schatzes, waren wir einfach nur alleine. Abgefahren ist der schiefe Turm von Nebra, der mich innerlich besoffen gemacht hat. Ständig dachte ich, ich kippe nach der einen oder anderen Seite. Aber es war kein Alkohol im Spiel, denn hier gibt es keinen Ausschank und keine Imbissbude.

Wir jedenfalls schruppten wieder unsere Kilometer und ich fotografierte wie immer. Also alles wie gehabt. Nur eines war neu, ich lernte Lesen. Denn das erste Mal las ich wirklich die Schilder am Straßenrand und ich wette, einige von Euch werden es mir nun nach tun. Bisher war ich mit dem Sekundenblick immer der Meinung, dass wir an der „Straße der Romantik“ entlang fahren und wandern. Aber weit gefehlt. Ich schätze, dass war nur meine Hoffnung auf Romantik in meiner Nähe, aber keineswegs entsprach es der Tatsache. Denn auf den Schildern der Unstrut ist es die Straße der Romanik und ich will jetzt die erhobenen Hände von denjenigen sehen, die das gleiche Holzpferd wie ich geritten haben. Ab sofort bin ich ein aufmerksamerer Leser, denn wenn ich mir künftig mehr Romantik wünsche, will ich ja auch kein Rundbogenfenster geschenkt bekommen.

Und so hatte sich auch der heutige Wandertag gelohnt. So viel Bildung auf einmal. Wow.

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