Auspowerer zum auspowern gesucht

Eigentlich könnte man ja meinen, dass wir den Titel Auspowerer verdient hätten. Nach nunmehr dem sechsten Wandertag mit durchschnittlich zwischen 10 und 15 Kilometern und verdammt viel frischer Luft, könnte man erwarten, dass wir unseren Sohn ordentlich auspowern würden. Weil dies bisher jedoch nicht so war, haben wir uns heute Verstärkung in Form eines Kindergartenkumpels geholt. So musste Georg wenigstens nicht wieder nur mit seinen langweiligen Eltern wandern, sondern hatte endlich jemanden bei sich, der für jeden Blödsinn zu haben ist. Wir Eltern sind da echt manchmal ganz schön unaufgeschlossen den Ideen der Kinder gegenüber.

Also ging es mit einen professionellen Auspowerer, nennen wir ihn mal beispielhaft Tom, auf die sechste Wanderung mit dem Start- und Zielwimpel in Freyburg an der Unstrut. Eines muss man ja an der Stelle erwähnen, ohne Corona, hätten wir wohl nie so viele tolle Wanderungen in der Umgebung gemacht und so viele tolle Sachen entdeckt. Manchmal muss man halt zu seinem Glück gezwungen werden.

Jedenfalls standen wir gerade am geparkten Auto, startklar und hoch motiviert und durften uns gleich nochmal wegen einer Startverzögerung für 20 Minuten ins Auto setzen. Es goss mal wieder in Strömen, obwohl unsere Wetter-App stur und steif behauptete, dass es heute trocken bleiben würde, ja sogar von Sonnenschein war die Rede. Naja, wer Recht hatte mussten wir nicht ausdiskutieren, dafür reichte der Blick gen Himmel. Wenn man so im Auto mit zwei professionellen Auspowerern sitzt (unser Sohn zählt auch zu der Gilde), dann ist das wie mit Rennpferden vor geschlossenem Startblock. Wir langweiligen Erwachsenen konnten nur hoffen, dass bald das Startsignal in Form eines klitzekleinen blauen Fleckchens Himmel zu sehen sein würde.

Und so ging es nach 20 verdammt langen Minuten los. Nun könnte man meinen, dass wir die geplanten 10 Kilometer in einer Rekordzeit schaffen würden, mit diesen zwei Rennpferden. Aber weit gefehlt. Wer noch nicht mit zwei sechsjährigen Energiebündeln unterwegs war kann dies sicherlich nicht nachvollziehen, aber auf so einer Wanderung gibt es so unendlich viel Ablenkung und keine Einzige kann außer acht gelassen werden.

Wir starteten bergaufwärts durch einen sogenannten „urigen Hohlweg“, der blöderweise in Kinderaugen wie der geilste Abenteuerspielplatz der Welt aussieht. Nach über einer Stunde im Auto gönnten wir den Kindern aber ihre Freude und bewegten uns im Schneckentempo vorwärts. Und dies ist die ideale Überleitung dazu, was die Auspowerer da so trieben. Denn sie sammelten Schnecken, die dank des Regens zu Hauf unterwegs waren. Eine Schnecke reichte nicht, nein es mussten Dutzende sein, damit sie nicht alleine sind, Freunde werden können und ne Party in der Hosentasche organisieren können. So sozial eingestellt, die Kleinen.

Okay vor der Hosentaschenparty konnte ich sowohl die Schnecken bewahren, als auch die Mutter des Auspowerers. Das wäre ja eine schöne schleimige Überraschung geworden. Apropos Schleim, mir zieht es schon die Mundwinkel nach unten, wenn ich nur an das Gefühl auf der Hand denke und für die Jungs war es das Größte.
Achja, an der Stelle verstand ich auch die Daseinsberechtigung von Matschhosen, denn wir hatten reichlich Matsch und Schlamm und innerhalb von 10 Minuten sahen die Auspowerer aus, als wären sie eins mit der Natur.

Nachdem wir gefühlt jede Schnecke einmal gestreichelt, die Sicherheit sämtlicher Hänge überprüft hatten, sowie eine Ganzkörper-Schlammpackung genossen haben, kamen wir tatsächlich auf dem Berg an. Nur blöd war, dass vor uns ein Stromzaun den Weg abschnitt, der keine Attrappe war, was allerdings keiner von uns ausprobieren wollte. Bei unseren Auspowerern hatte ich eher die Angst, dass sie vor lauter überschüssiger Energie explodieren würden. Meine Wander-App behauptete weiter stur und steif, dass wir weiter geradeaus gehen müssen, also durch, über, unter dem Zaun. Sie ist sicherlich ein Ableger der Wetter-App, anders kann ich mir dies nicht erklären.

Was macht man in solch einer Situation? Man schickt den Mann voraus auf’s Feld, um Ausschau zu halten nach wütenden Bullen oder chilligen Kühen. Im ersten Fall wäre ich vorbereitet gewesen, die Kamera auf Anschlag und die Serienbild-Funktion eingeschaltet. Aber er gab Entwarnung, da kein Tier außer deren Exkremente zu sehen war. Ich deutete ja in Safarimanier gleich mal das AA, als das von Pferden, was mich daran erinnerte, dass wir unterwegs auch eine Herde Wildpferde laut Wander-App erwarteten. Sollte dies deren Gelände sein?? Nach einem weiteren Kilometer mit ganz viel Pferde-AA sahen wir sie tatsächlich: eine Herde Wildpferde mit ganz vielen Fohlen.

In diesem Moment vergaßen wir auch ganz die Tatsache, dass wir den letzten Kilometer auf der Hochebene förmlich gerannt waren, da ein Gewitter aufzog. Einfach ein schlechter Zeitpunkt für Donner & Co. so ohne Bäume mitten auf dem Berg. Aber wir hatten dreifach Glück: Kinder die auf uns hörten, sich verziehende Gewitterwolken und vor uns eine Herde Wildpferde. Ein wunderschöner Anblick und wirklich lohnenswert, wenn man sie denn findet.

Als die Auspowerer langsam Ameisenhaufen interessanter als die Pferde fanden, wurde es Zeit unsere Wanderung fortzusetzen und so folgten wir weiter glückseelig den Anweisungen unserer App. Am anderen Ende des wirklich riesigen Geländes waren dann auch die Hinweisschilder, wie man sich hier zu verhalten hat. Blöd nur, wenn man am entgegengesetzten Ende reingegangen ist. Aber keine Sorge, wir waren intuitiv vorbildlich und die Pferde haben uns überlebt.

Nun mussten wir eigentlich nur wieder runter ins Tal der Unstrut über den nächsten urigen Hohlweg bzw. den nächsten real Abenteuerspielplatz. Und dieses Mal konnten wir den Restmüll vom Picknick zur Aufbewahrung einiger Schnecken und Käfer nutzen. Natürlich alle in artgerechter Haltung inklusive Nahrung. Und bei der Auspowerer-Mutter kann ich mich nur für dieses Mitbringsel entschuldigen. Beim nächsten Mal pflücken wir Blumen, versprochen.

Irgendwann kamen wir dann verschlammt und glücklich wieder am Auto an und die Auspowerer hatten jeweils 17.000 Schritte auf der Uhr. Und sie hatten es geschafft, wir waren komplett ausgepowert, während sie in unserem Feriendomizil als erstes nach der Rückkehr nochmal ne Runde ins Trampolin gingen. Meine Fresse, woher nehmen die Kids nur diese ganze Energie.

Ich brauche jetzt ein süffiges Bierchen und ganz viel Ruhe und schaue mir dabei das Lächeln der Auspowerer-Augen an und bin happy über einen ganz tollen Tag.

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