Wenn der gewählte Sightseeing-Ort mit Berg wie Bergamo anfängt, hätte ich allen Grund stutzig zu werden. Aber im Falle der Altstadt von Bergamo, Bergamo Alta, drücke ich mal ein Auge zu. Denn dahin führte uns unser gestriger Ausflug und vor lauter Begeisterung für diese tolle Altstadt vergaß ich glatt über die Höhe zu motzen. Das mag aber auch daran liegen, dass wir völlig ungeplant genau an der Standseilbahn parkten, welch Zufall, die für läppische 5,20 € unsere ganze Familie auf den Berg zog und uns somit das Bergauf-Schwitzen ersparte. So einfach bekommt man meine Liebe.
Oben angekommen war es zwar nicht weniger warm, aber es gab reichlich enge Gassen, die viel Schatten spendeten. Die Altstadt ist nicht riesig und besteht gefühlt zu 50% aus Kirchen, während der Rest für Eisläden und Restaurants blockiert ist. Naja, ein paar Leute leben hier auch, aber so ungefähr sieht die Verteilung aus. Aber kommen wir zu den wichtigen Dingen, den Eisläden. Bei der Hitze kann man hier von einen Laden in den nächsten stolpern und statt dem typischen italienischen Milcheis gibt es hier überall richtig kaltes Wassereis in den leckersten Sorten. Man kann es auch als Deoroller oder Nackenrolle nutzem, wenn man nicht gerade eine Sorte mit sehr viel Farbe gewählt hat. Kühlt herrlich ab und ist dazu noch extrem lecker.

Aber mal im Ernst, das eigentlich faszinierende sind hier die zahlreichen Kirchen. Wir begannen natürlich gleich mit der mit Abstand beeindruckendsten, die ich je gesehen habe. Die Basilika Santa Maria Maggiore. Vor lauter Gold musste ich die Sonnenbrille aufbehalten und war dennoch geblendet. Denn diese Kirche war einfach wunderschön. So viele Details, uralte Wandmalereien und Wandteppiche und man hätte stundenlang noch Details entdecken können. Einfach Wahnsinn. Allein die Fassade aus weißem und rosa Marmor war einzigartig.
Weiter stolperten wir in die direkt daran liegende Capella Colleoni und in den Dom und diverse andere kleinere Kirchen. Im Dom konnte man auch von einem vergangenem Papst das Gewand und die Mütze sehen. Überhaupt wie überall in Italien ist die Kirchendichte extrem hoch. Kein Wunder, dass dieses Land so arm ist. Alles Geld bekommt die Kirche und investiert es in zugegebenermaßen attraktive Kirchen. Aber ein gewisses Ungleichgewicht zu den unsanierten Häusern und Straßen gibt es schon. Doch die Italiener scheint dies weniger zu stören. Mich macht es immer schizophren, denn einerseits genieße ich diese Kultur und mein Fotofinger glüht, aber andererseits finde ich es beschämend und einfach nur ungerecht.





Aber heute genoss ich hauptsächlich die Kultur, so auch auf dem Piazza Vecchia, wo man unter anderem noch eine Sonnenuhr bzw. einen ganzen Sonnenuhrkalender bewundern konnte, inklusive der Tage, Monate und Tierkreiszeichen. Sie scheint richtig zu gehen, auch wenn wir den korrekten Zeitpunkt in der Mittagssonne verpasst hatten.





Wir jedenfalls bummelten entspannt und schwitzend durch diese wunderschöne Altstadt und ließen keine Kirche und keine Sehenswürdigkeit aus. Mit Stieleis lässt es sich halt aushalten. Irgendwann begaben wir uns dann auf den Weg hinunter in die Neustadt und sprangen von Schattenplatz zu Schattenplatz, während wir überlegten, was wir mit dem restlichen Tag noch so anfangen können.


Also fuhren wir weiter nach San Pellegrino um zu schauen, woher das Wasser kommt. San Pellegrino besticht einerseits durch die riesigen Lagerhallen für das Wässerchen und die entsprechende Infrastruktur in den Bergen und andererseits durch die prachtvollen Jugendstilbauten eines Kurortes. Leider kamen wir nicht in die Therme rein, ohne einen Thermenbesuch, Hotelzimmer, Antigentest zu buchen, aber auch von außen war es eine Augenweide.
Noch beeindruckender fand ich das riesige Grand Hotel am Fluss, welches aber nur äußerlich glänzt und tatsächlich ungenutzt leersteht. Habe im Portemonnaie gewühlt, aber nicht genügend Kleingeld für einen Spontankauf gefunden. Ich sah mich schon als mondäne Hoteldirektorin, die jeden Abend zum Direktorinnen-Dinner einlädt und das Penthouse unter dem Dach selbst bewohnt. Das Einzige, was mich dabei stört, dass es in San Pellegrino wohl eher Wasser statt Schampus gibt. Insofern platzte meine Seifenblase sofort wieder an der Zapfstation des Wässerchens.






Übrigens muss ich auch zugeben, dass mir San P. noch nie so recht geschmeckt hat und dies hat sich auch nicht geändert, als ich das unabgefüllte Wässerchen direkt aus der Quelle trank. Jetzt google ich schon die ganze Zeit erfolglos, wo dieser blöde Champagner entspringt. Dort würde ich mich mit meinen leeren Plastikflaschen der letzten Tage, übrigens sind es Hunderte, vor der Quelle positionieren und dieses lustige Spiel spielen:
„Die Guten ins Köpfchen, die schlechten ins Fläschchen.“
Nach dieser wässrigen Erfahrung grübelten wir, ob wir die einfache Strecke rückzu wählen, oder wir über den Taleggio Pass kurven. Da wir ja bekennende Abenteurer sind, haben wir natürlich den Pass gewählt, ohne vorher mal zu googeln, was uns erwartet. Sagen wir es mal so, wir sind nun alle getestet und vorbereitet für Südtirolfahrten. So eine Passstraße bringt ja die Fahrgäste in der zweiten Reihe in der Regel dazu, dass sie knackig weiß werden und gelegentlich Stopps benötigen. Wir haben es ohne Stopps geschafft, was mich als Fotoapparatnutzerin nicht unbedingt glücklicher gemacht hat. Schließlich gab es Aussicht und davon reichlich. Zuerst ging es an einem fantastischen Flusslauf im Tal durch das Gebirge, bis wir uns durch zahlreiche Tornanten Richtung Gipfel bewegten. Auf der ersten Hälfte der Strecke war ich einfach nur glücklich, dass nur wir die Idee hatten über den Pass zu fahren. Denn uns kam quasi nichts entgegen und somit mussten wir auch nicht überlegen, wie wir eine Parkbucht in die Felsen schlagen können, damit zwei Auto’s aneinander vorbei fahren können oder man für einen Fotostopp auch mal stoppen kann.
Später wurde es anders und auch das ging, ohne dass wir Dynamit benötigten. Die durchgerosteten Seitenbegrenzungen trösteten mich nur insofern, dass sie zumindest noch heile waren. Die Kinder wurden immer ruhiger und der Pass zog sich ins unendliche. Die Aussicht war toll und ich wollte immer noch eine schmale Vespa mit Fallschirmhalterung und Selfistick. Aber man bekommt halt nicht alles im Leben. Und so kurvten wir uns wacker durch unseren ersten Pass seit Jahren. Irgendwann ab Moggio wurden es auch wieder echte Straßen und dafür mehr Autos. Nun fehlte mir schon fast wieder die Einsamkeit am Steilhang mit dem gewissen Adrenalinpegel im Blut.
Man könnte nun meinen, unser Bewegungsdrang war nach diesem Tag erschöpft. Aber nein ich bekam noch meinen abendlichen Abstieg mit angedrohtem Aufstieg, nur um etwas Essen zu fassen. Ich finde, Essen wird in solch bergigen Regionen tendenziell überbewertet. Ich würde auch glatt ohne diese Challenge auskommen. Aber als liebende und fürsorgliche „Mamma“ gebe ich mich jeder Strapaze hin und nutze diese ganz nebenbei bei den Verschnaufpausen des Auf-und Abstiegs gleich als Fotopause für den Sonnenuntergang.


Und George wird übrigens mittlerweile aufdringlich. Schon den zweiten Abend in Folge, machte er am gegenüberliegenden Ufer ein Feuerwerk, nur um auf sich aufmerksam zu machen. Das ist mir dann doch etwas übertrieben. Will ja schließlich mein Balkonweinchen in Ruhe trinken.


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