Nennt mich EhDa-linchen, oder vielleicht doch nicht

Heute soll es mal um ein Thema gehen, wo ich mal den Gebrüdern Grimm ordentlich die Löffel langziehen muss. Es geht um Die STIEFMUTTER an sich, oder um mich als Stiefmutter im Speziellen. Denn dies ist der Grund weshalb ich mich mal ausführlich mit diesem Thema auseinander setzen möchte.

Auch ich bin Stiefmutter von zwei wundervollen Töchtern, wie sicherlich viele andere Frauen auch. Manchmal hat man das Gefühl, dass fast jede zweite Familie eine Zweit-oder Drittfamilie ist. Ja, die Stiefmutter ist mittlerweile ein alltägliches Lebewesen mit Daseins-Berechtigung und wird nicht nur dann eingesetzt, wenn aufgrund des reinen Überlebenswillens eine Stiefmutter angeraten ist. Diese Zeiten sind ja Gott-sei-Dank vorbei.

Und so als Stiefmutter kommt es halt auch vor, dass man sich gelegentlich, wenn nicht sogar ständig, fragt, was man nun eigentlich so für die Stiefkinder ist. Also die große Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens. Ich stelle mir diese Frage nun schon seit fast 9 Jahren. Das heißt aber nicht, dass ich schon eine finale Antwort gefunden habe. Aber ich denke, ich bin nah dran.

Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie es war, das erste Mal die Stieftöchter kennenzulernen. Man lernt also zuerst einmal den dazugehörigen Papa kennen und auch lieben und versucht sich rein theoretisch damit auseinander zu setzen, wie es wäre, wenn man dann plötzlich auch Stiefmutter ist. Da ich eine Frau mit Eierstöcken war und den dazugehörigen Daddy ganz knorcke fand, war meine Antwort auf die Frage, ob ich mir das vorstellen könnte, natürlich „JA“. Allerdings muss ich zugeben, dass ist ungefähr so ein „JA“, als würde man mich fragen:

„Könnten Sie sich vorstellen, ab morgen Lottomillionärin, Fotomodell, Mutter Theresa oder Weltreisende zu sein?“

Rein theoretisch möchte ich nämlich all das. Okay, Fotomodell wollte ich mit 15 werden, aber manche Kindheitsträume verschwinden halt nie. Und Mutter Theresa bin ich schon, wenn ich an die vielen Aufgaben in der Corona-Zeit denke.

Aber was das Bild der Stiefmutter anging, hatte ich natürlich überhaupt keine Vorstellung bzw. noch nicht einmal einen blassen Schimmer, was mich erwarten würde, welche Aufgaben sie so übernimmt und was sie so ist, wenn sie so ist.
Irgendwann wurde dann aus Theorie Praxis und die Mädels beschlossen mich kennenzulernen. Genauer gesagt, entdeckten sie ein langes Haar im Bett, was selbst mit kindlicher Fantasie oder Naivität von keiner Körperstelle meines Mannes stammen konnte und so fragten sie nach. Dann bekam ich diesen Anruf, der mein ganzes Leben veränderte:

„Kannst Du heute noch vorbei kommen? Die Mädels wollen Dich kennenlernen.“

Aus meinem Mund kam wieder das genetisch gesteuerte „JA“, aber in Bauch und Kopf wurde der Achterbahn-Turbo eingelegt. Denn das war ja kein Kennenlernen, wie wenn ich den Nachbarn, die Oma oder den Lieblingsgriechen treffen würde. Dieses Kennenlernen stand sogar noch weit über dem ersten Treffen mit dem besten Kumpel, denn die Kinder konnten mir noch schneller den Weg ins Singledasein zeigen, als jeder andere auf dieser Welt. Mit Kumpels könnte ich umgehen, ein Bier aus der Flasche und ich gelte als coole Bitch. Aber mit Kindern? Mein Erfahrungsschatz war rudimentär bis gar nicht vorhanden, obwohl ich schon jetzt als „überfällig“ galt.

Ich rief also meine beste Freundin an und meinte optimistisch: „Ich glaube, ich sterbe gleich.“. Soweit kam es aber nicht, denn ich stellte mich dieser Herausforderung. Auch ohne Stiefmutter-Erfahrung sprang ich rein ins kühle Nass und war vorbereitet auf ein klassisches Hopp oder Topp, wie beim ersten Date. Konnte ja kaum schwieriger sein.

Gott-sei-Dank schmissen mich die Mädels damals nicht hochkant wieder raus, sondern waren neugierig, offen und einfach nur zuckersüß zu mir und so bekam ich die Chance Stiefmutter zu werden. Doch welche Rolle sollte ich nun übernehmen? Zweitmama? Ich kann nur jedem raten, genau dies nicht anzustreben. Jeder von uns hat nur eine Mama, nämlich die, die uns stundenlang rausgepresst hat, uns im Alltäglichen liebevoll umsorgt und immer, immer für uns dasein wird (Ausnahmen finden hier keine Erwähnung). Also ist schlicht kein Platz für eine Zweitmama und dies sollte man für sich akzeptieren, bevor man einen Fehler macht. Egal, was man von der richtigen Mutter hält, egal, welche Geschichten zwischen den Erwachsenen passiert sind, es geht hier nur um die Kids und die haben EINE Mutter und EINEN Vater.

Für mich war dies zumindest klar, aber was bin ich dann? Die neue coole Freundin, der man alles erzählen kann, was man den Eltern nicht erzählen kann und die genau so cool ist wie man selbst und die gleichen Probleme kennt? Tja, hieße mein Mann Wendler und wäre ich die knapp volljährige neue Freundin, wäre dies vielleicht eine Antwort auf die Frage gewesen. Dann könnten wir zusammen shoppen gehen, wären beim Spagat üben gleichauf, hätten Friday’s for Future gegründet und könnten über die süßen Jungs im Urlaub lachen. Den Mädels hätte dies vielleicht sogar gefallen. Mir ja eigentlich auch, vor allem das Spagat üben. Aktuell komme ich ja maximal in die Form eines rechtwinkeligen Dreiecks. Und ich gebe zu, dass ich gelegentlich in die Falle der „coolen Freundin“ getappt bin, wenn ich für mich nicht wusste, „Was bin ich eigentlich für sie?“.

Aber nun trennen uns altersmässig fast drei Jahrzehnte. Da wäre schon fast die Rolle der jungen Ersatz-Oma realistischer, als die der coolen jungen Freundin. Also konnte ich dieses Thema für meine Daseins-Frage auch gleich wieder streichen.

Doch was bleibt da? Wird man sein Leben lang als

„die neue Frau von unserem Papa“

vorgestellt? Ist man halt doch nur „eh da“?

Bin ich also ein „EhDa-linchen“?

Ich hoffe wirklich, dass ich nunmehr nach fast 9 Jahren kein EhDa-linchen bin und versuche für mich deshalb das Bild der Stiefmutter mit Leben zu füllen. Und da kommen die Gebrüder Grimm ins Spiel. Was habt ihr nur erlebt, dass ihr die Stiefmutter so schlecht wegkommen lasst? Kaum ist irgendwo die leibliche Mutter verstorben, ruft es eine böse Stiefmutter auf den Plan. Und wie böse, böse, böse die Stiefmutter immer ist. Im nachhinein vermasselt ihr mir sogar mein

Drei Haselnüsse für Aschenbrödel

inklusive der von mir gesummten Melodie

Denn auch da gibt es mein Abbild nur in Böse. Und wenn ich „Märchen“ und „liebe Stiefmutter“ google, ist das die wirklich einzige Abfrage im Worldwideweb ohne Ergebnis. Die lieben Gebrüder Grimm haben im Laufe der Jahre sogar die guten Stiefmütter zu bösen Stiefmüttern umgedichtet, da diese offensichtlich mehr Klicks bekamen. Aschenbrödel, Hänsel und Gretel, Schneewittchen, Frau Holle, um nur die bekanntesten zu nennen, machen meinem Job als Stiefmutter echt das Leben schwer. So wird einem von vornherein schon vorgeworfen, dass man gar nicht lieb und fürsorglich sein kann.

Doch mit solchen Herausforderungen kann ich doch umgehen. Also setzte ich mir vom ersten Moment an das Ziel, „Stiefmutter“ des Jahres oder Jahrtausends zu werden.
Natürlich kann man dieses Ziel nur mit knallharter Bestechung erreichen. Hier reicht es nicht lieb und fürsorglich zu sein, die eigenen Ansprüche hinter die der Mädels zu stellen, und auch nicht, immer für die Mädels dasein zu wollen. Sondern hier muss eine Packung Lieblingseis im Einkaufswagen beim wöchentlichen Einkauf sein, der erste gemeinsam gekaufte BH, die Planung einer Überraschungsreise zur Volljährigkeit, den geliebten Star anzuschreiben, um die Chance auf ein Treffen zu erhöhen (hat leider nicht geklappt, aber der Versuch zählt), die Ausrichtung der Reiseroute nach der WLAN-Verfügbarkeit zu planen. All dies und noch viel mehr habe ich getan und werde es auch weiter tun. Letztendlich nicht um diesen fucking Pokal zu bekommen mit der Aufschrift:

Beste Stiefmutter des Jahrtausends

Prädikat „nicht für ein Märchen geeignet“

Schließlich gibt es bestimmt viele Stiefmütter, die ihn mindestens ebenso wie ich verdient hätten. Sondern es geht darum ein Teil ihres Lebens zu sein und für immer zu bleiben. Ohne dabei einer Mutter Konkurrenz zu machen, aber um den Gebrüdern Grimm ordentlich den Stinkefinger zu zeigen. Und letztendlich geht es nur darum, dass die Mädels glücklich sind. Und vielleicht bin ich eben nicht die Stiefmutter des Jahrtausends, sondern doch nur ein EhDa-linchen. Aber wenn ich ein EhDa-linchen bin, dann ein Richtiges und Wichtiges.

Nämlich eine
Entwicklungs-Hilfe-Dauer-Assistentin

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