Gestern war Welt-Nutella-Tag und somit wurde eine der kleinen Süchte gefeiert. Wobei ich mir aktuell noch nicht sicher bin, ob das nun wirklich ein Grund zum Feiern ist.
Da ich nun kein bekennender Nutella-Glas-Auslöffler bin, hat mich das zum Nachdenken gebracht, auch über meine Süchte nachzudenken. Und ich stelle hier mal die Behauptung in den Raum, dass jeder von Euch mindestens in 10 Situationen Suchtverhalten an den Tag legt. Denn wären wir nicht süchtig nach leben, lieben und sonstigen Dingen, wäre es echt eine freudlose Welt.
Per Definition ist es ja eine krankhafte Abhängigkeit von einem bestimmten Genuss- oder Rauschmittel. „Krankhaft“ heißt für mich, es gibt den passenden Arzt oder die passende Pille oder die passende Spritze zur Heilung und Linderung. Doch egal wie oft ich google, ich finde weder einen Nutella-Doktor, noch eine Anti-Reise-Pille noch eine Impfung gegen Chipsverlangen. Jetzt wäre die Schlussfolgerung eines wirklich Süchtigen: Ich bin also gar nicht süchtig, ich habe es im Griff. Doch da sind wir ja schon beim nächsten Problem. Also erstens gibt es keinen vermeintlichen Facharzt für die Süchte und zweitens gibt es ja noch nicht einmal per se die Sucht selbst. Es dreht sich also im Kreis und das ist in der Realität tatsächlich so. Oder habt ihr schon mal einen aktiven Süchtigen sagen hören:
„Ich bin ein Chips-Süchtiger und brauche Hilfe.“
In der Regel ist man als Süchtiger ja eher so ein klarer Rechtfertiger. Man ist nicht süchtig! Also noch nicht mal ansatzweise. Wer das behauptet, hat einfach keine Ahnung. Man isst, trinkt und tut einfach nur sehr gerne, was man halt isst, trinkt oder tut. Und natürlich könnte man damit völlig unproblematisch aufhören, wenn man will. Das Ding ist ja nur, man will nicht. Und nur weil man nicht will, soll man nun ein Süchtiger sein? Es gibt ja noch nicht einmal den passenden Arzt!
Nun gebe ich ja selbst auch so ein paar Süchte zu. D.h. ich habe die Phase der Rechtfertigung schon fast überschritten und befinde mich auf der Zielgeraden der Erkenntnis. Ich bin definitiv süchtig, nach der Welt, nach Reisen, nach Abenteuern und nach neuen Eindrücken. Also, ich habe gegoogelt, es gibt weder die Anonymen Reisenden noch auch nur einen Facharzt der Reisesuchtbehandlung. Aber in diesem Fall habe ich dennoch Hilfe gefunden. Bin ja schließlich kreativ. Die Facharztrichtung nennt sich nämlich in Wirklichkeit Reisebüro und das dazu passende Krankenhaus heißt eigentlich Flughafen. Es gibt auch reichlich Impfungen für dieses Krankheitsbild und mein Impfpass gleicht einem Übersichtskatalog für Reiseimpfungen. Selbst Pillen habe ich schon geschluckt und wenn es nur zur Symptomunterdrückung war. Doch wirklich helfen kann nur, der Sucht einfach nachzugeben.

Kürzlich hat mein Reisefacharzt des Vertrauens ein Angebot für Home-Office in Kenia am Strand geschickt und seither male ich mir mein künftiges Home-Office-Dasein in den schönsten Farben Afrika’s aus und freunde mich mit dieser innovativen Therapieform an. Ich sehe mich in einer Telefonkonferenz mit meinen Kollegen, während meine Füße im Sand stecken und neben mir eine halbe Kokosnuss mit Strohhalm steht statt der alten Kaffeetasse. Dank der passenden neutralen Hintergrundbilder und der Tischkante, die den Teil unterhalb der Bluse verdeckt, fällt es keinem auf und ich vertraue wirklich darauf, dass die Internetinfrastruktur in Afrika mittlerweile die in Deutschland überholt hat. Sollte ja schließlich ein Leichtes sein.
Aber ist es nun schlecht diese Sucht zu haben? Nein, definitiv nicht. Dank dieser Sucht habe ich aktuell wenigstens noch Ziele und den Willen diese blöde Zeit zu überstehen. Also wird das hier schon mal nichts mit der Suchtbehandlung.
Übrigens, der nächste internationale Tag des Reiseleiters ist der 21. Februar und ich werde meine Suchtberater an diesem Tag feiern.
Kommen wir mal zur nächsten Sucht. Also aktuell verspüre ich so ein dringendes Verlangen nach meinem Autositz. Nun bin ich nicht süchtig nach Autositzen, sondern eher nach dem Gefühl des Fahrens. Ich bin ja zur Zeit Außendienstmitarbeiter auf hartem Entzug und ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser harte Entzug so gut ist, wie alle behaupten. Außerdem werde ich ständig rückfällig und habe es wirklich nicht unter Kontrolle. Wenn ich zum Beispiel mal schnell zur Post fahren muss um ein Paket aufzugeben, wählen meine süchtigen Finger im Navi sofort die Postfiliale mit der größten Entfernung zum Wohnort und so kann es schnell mal sein, dass ich mich auf der Autobahn Richtung Sylt wiederfinde.
Ich weiß jetzt auch, warum manche Männer nie wieder vom Zigaretten holen wiederkamen. Die sind jetzt noch zu Fuß auf dem Weg zum Zigarettenautomaten in Puerto Williams in Argentinien. Das kann halt dauern. Und auch bei dieser Sucht, konnte ich weder den passenden Doktor, noch eine Impfung, noch eine Pille finden, die mir aktuell helfen würde. Aber es gibt die Anonymen Autofahrer, auch als AA bekannt. Die Treffen werden regelmässig von der Kraftstoffindustrie organisiert, finden immer an Autobahnen in abgelegenen Ländern statt und werden nur von Süchtigen zu Süchtigen weiter kommuniziert. Vor Ort tauschen dann alle ihre Blitzerbilder, als wären es Sammelkarten. Ich habe mir kürzlich ein Sammelheft angelegt und mir fehlen nur noch Blitzerbilder aus Timbuktu und dem Arsch der Welt. Aber noch ein paar Treffen und ich bekomme die Sammlung voll.
Vor kurzem habe ich einen Tipp für ein Treffen der AA in Leipzig bekommen. Aber das war ganz komisch. Da waren nämlich nur welche mit echten Süchten und die durften alle nicht mehr Auto fahren. Das war mir echt zu abgefahren (Wortwitz).
Okay ich gebe zu, dass hier meine Einstellung nicht dazu beiträgt, die Sucht zu heilen. Aber mal ehrlich, wenn es keinen Arzt dafür gibt, ist es auch nicht krankhaft. Also kann ich doch weiter machen.
Habe übrigens diese Woche meinen neuen Firmenwagen bekommen. Zyniker würden fragen: Wozu? Aber ich finde, so aller drei Jahre ist so ein neues Auto schon eine Berufsrechtfertigung und auch wenn er nur vor der Tür steht, so trägt er doch zu meiner Freude bei.
Ich richte ihn mir jetzt als mobiles Home-Office ein. Kühlschrank, Bett, Außendusche u.s.w. und schon kann ich mobil meiner Arbeit nachgehen. Ich bin mal gespannt, wann sie mich das erste Mal anhalten. Aber wenn ich erst die Alpen überschritten habe, gibt es keinen Halt mehr für mich und ich mache eine Home-Office-Weltreise. Wird ja keinem auffallen und ich bin happy, weil zwei Süchte bedient werden.
Zum Abschluss google ich noch den internationalen Tag des Autofahrers. Und wenn es ihn noch nicht gibt, wird es höchste Zeit. Darauf ein Glas Nutella, Prost.
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