Dann kotze ich halt in Deine Richtung, Schatz!

Meine Füße tun weh, was nicht nur daran liegt, dass ich mir eine Zehe geprellt habe. Nein, es stellen sich langsam Abnutzungserscheinungen ein. Bin sozusagen jetzt ein Oldtimer mit zu vielen Kilometern auf der Uhr. Müsste mal in die Werkstatt, so zwei Wochen Wellness mit neuem Lack und schon laufe ich wieder wie ein Neuwagen.

Aber erst einmal von vorn. Hinter uns liegen wieder zwei ereignisreiche Tage in Südtirol und natürlich waren wir in den Bergen. Swen hatte sich schnell an das Serpentinen-Fahren gewöhnt und heizte nur so um die Tornanten. Ich dagegen fand seinen Fahrstil und seine Kurven zu hart und abrupt und so entbrannte im Auto eine Diskussion die mit meinen Worten endete:

„Dann kotze ich halt in Deine Richtung.“

Ich finde, dies war das beste Argument für einen gemässigten Fahrstil und somit konnte es weiter gehen nach Stuls. Dank jahrelanger Recherche meiner Eltern in dieser Region, bekamen wir sowohl Wanderrouten als auch Anfahrtsbeschreibungen vorab übermittelt. Eine dieser Beschreibungen führte uns zum Parkplatz im Nirgendwo ohne Wendemöglichkeit. Den dezenten Hinweis, 4€ in bar mitzuführen, haben wir überlesen, überhört und durften spüren, was wahres Glück bedeutet. Nämlich eine fehlende Schranke. Mit vorhandener Schranke hätten wir 3 km rückwärts Serpentinen meistern müssen, da wir ja kein Parkgeld einstecken hatten. Ohne Schranke durften wir ganz offiziell Schwarzparken und lächelten dümmlich und seelig vor uns hin.

Und los ging die Südtirol-Einsteigertour zu den Almen von Stuls. Einsteigertour hieß das Ganze auch nur, weil es unser erster Tag in Südtirol war, denn ansonsten stelle ich mir unter Einsteigertour einen Rundgang über den Parkplatz vor. Aber so ging es ruff auf den Berg zur Egger Grub Alm in 1.940m, was 320 Meter höher als meine Parkplatzführung lag. Aber wir waren ja mittlerweile Vollprofis und schafften den Aufstieg ohne Sauerstoffzelt und Bergrettung. Ich bin stolz auf uns vier Flachlandtiroler, wenn ich auch feststellen muss, dass früher irgendwie mehr ging. Das zeigen mir auch immer wieder unsere Kids. Die stürmen hoch und quatschen dabei noch über Avengers-Helden und Dinosaurier, während wir das Hirn sicherheitshalber von der Sauerstoffzufuhr abschneiden. Die gemachten Pausen machen sie eigentlich nur aus Mitleid und haben da auch ständig so einen mitleidigen Blick drauf, der eher noch mehr demotiviert. Wenn Georg noch einmal fragt, ob es mir gut geht, dann implodiere ich, ich schwöre.

Jedenfalls schafften wir gemeinsam den Weg zur Egger-Grub-Alm, stärkten uns mit einer geteilten Nudelsuppe nebst Würstchen und reichlich Getränk und wurden ob des vielen Zuckers direkt übermütig. Denn statt des Heimweges planten wir gleich noch die nächste Alm, die Bockhütte. Was so ein Holunderwasser so für Kraft bringt ist echt unglaublich. Also eine Extratour, ein Extraaufstieg und eine Extrahütte. Dieses Mal gab es ein geteiltes Bockbrettl und damit hätten wir noch alle anderen Wanderer am Berg versorgen können. Wer soll denn alleine so viel Wurst, Speck und Käse essen? Na wir vier, denn geteiltes Leid ist halbes Leid. Georg übernahm den Zuschnitt, da wir Erwachsenen zu schwach waren und das Messer nicht mehr hätten halten können. Und wir können mit Freude verkünden, dass noch alle 10 Finger bei Georg dran sind. Wir sind stolz auf ihn und er ist kurz davor, unsere Pflege übernehmen zu können.

Nach diesem labenden Erlebnis durfte ich nicht weiter übermütig werden, denn ich hatte fast noch die Hochalm im Blick, um die 2000er Marke zu knacken. Und manchmal ist es gut, wenn man im Enthusiasmus eingebremst wird. So auch in diesem Fall, denn nun ging es für uns abwärts. Wir Alten sorgten uns um unsere hüpfenden Kniescheiben und eingebremsten, blauen Zehen und die Jungen hüpften singend den Berg runter. Wo ist die Zeit nur hin. Nicht das ich jemals einen Berg hinunter gehüpft wäre, das hätte nämlich unweigerlich zu blutigen Knien und ausgeschlagenen Zähnen geführt, aber rein theoretisch war ich doch auch erst gestern Teenager.

Es half alles nichts, die Einsteigertour zollte ihren Respekt. Also machten die Erwachsenen erst einmal einen Mittagsschlaf nach der Rückkehr durch die Serpentinen, während sich die Jugend darüber austauschte, welche Pferde man noch stehlen konnte und welche Bäume man als nächstes ausreißen würde. Ich dagegen bin schon froh, dass wir wieder aufwachten und nicht gleich den ganzen Urlaub verschliefen.

Den gestrigen Abend beschlossen wir dann in einer Imbe und ich muss sagen, manchmal ist Imbiss auch Understatement, denn hier erwarteten uns die besten Burger seit langem. Ein Feinschmeckerburger zum hineinlegen und darin wälzen, während Georg Freunde fand und wir unter uns Erwachsenen einen entspannten Abend verbrachten. Georg konnte sich so bei Fussball, Tischtennis und Disco endlich mal auspowern, nach so einem total langweiligen Spaziergang für Anfänger.

Zu meiner Tageskrönung kam es, als ich an der Couch ausprobierte wie ein Zehenspalter sich so anfühlt. Blau, blau, blau und ziemlich Aua. Hatte schon Sorgen, oder war es Hoffnung, dass ich gar nicht mehr in Wanderschuhe komme und ein wandertechnischer Totalausfall werde. Aber keine Sorge, oder Hoffnung, ich passe noch in Schuhe, denn die Zehe ist nur geprellt und damit nur schmerzvoll aber noch nutzbar. Lieber Gott des Berges, wenn Du mir schon Hoffnung gibst, dann bitte richtig und nicht so halbherzig.

Heute nun wollte ich endlich mal die Kapazitäten der täglich möglichen Foto’s ausreizen und so ging es in den botanischen Garten von Trauttmansdorff Blumen knipsen. Ich habe 320 Bilder in 5 Stunden bei 6 km geschafft und damit nicht den möglichen Rahmen gesprengt. Im Gegenteil, da wäre noch deutlich mehr gegangen, wenn ich wirklich angefangen hätte einzelne Blüten abzulichten. So habe ich mich nur auf verschiedene Details konzentriert und das große Ganze im Blick behalten. Selbst meine Mitreisenden waren heute nicht genervt, sondern haben mitgeknipst.

Trauttmansdorff ist aber wirklich eine Reise wert und man kann entspannt den ganzen Tag hier verbringen. Selbst in der Hitze hält man es dank unzähliger Schattenplätze aus und egal in welcher Ecke man ist, man kann immer etwas entdecken. Und so tobten wir uns den ganzen Tag aus und konnten nicht genug bekommen. Berg rauf, Berg runter, noch einmal ganz gen Süden und vielleicht nochmal in die nördliche Ecke. Ich glaube, wir haben heute jede Pflanze einmal mit Handschlag begrüßt. Lasst Euch in dieses blumige Erlebnis, dass soviel mehr ist als ein Blümchen, hineinziehen. Bei dem einen Bild nehme ich gerne Zahlungen in Höhe der Auktionspreise für ein echtes Seerosenbild von Monet entgegen und notfalls signiere ich auch das Original.

Nach diesem eigentlich schon ausreichenden Wandertag mussten wir alle wegen mir nochmal nach Meran Innenstadt cruisen. Denn ich hatte rein zufällig zu wenig T-Shirts eingepackt und somit die ideale Ausrede zum shoppen. Klar hätte ich die letzten drei Tage noch irgendwie ohne Neuware überstehen können, aber ich wollte nicht. Stattdessen ging es in die Gassen von Meran und die ersten besuchten Läden waren Schuhläden und Taschenläden. Swen war offensichtlich so geschafft, dass ihm dieser Widerspruch in sich gar nicht auffiel. Schließlich könnte ich mich notfalls auch mit zwei Schuhen und einer sehr großen Tasche bedecken. Aber irgendwie war ich nicht in Shoppinglaune oder die italienische Mode wollte nicht meine Mode werden. Also shoppten wir lieber Mitbringsel und Nahrungsmittel, also Wein und so. Schlussendlich erinnerte ich mich doch noch an meine T-Shirt-Knappheit und machte kurzen Prozess. Drei musikalische Motto-Shirts, ein Freddie, ein rollender Stein und ein kluger Spruch wurden mein Eigentum. Doch behauptet Swen bis jetzt, dass ich sie gestohlen habe. Nur weil die Alarmsicherung am Ausgang losging und der Verkäufer hinter mir her rannte. Ich finde, alle Beteiligten haben maßlos übertrieben, denn ich habe Freddie und Co. rechtmäßig erstanden und die nächsten Tage sind ohne Dunstwolke hinter mir gesichert. Und beim Bergwandern der rollende Stein zu sein, hat eine gewisse Ironie in sich.

Jetzt heißt es Brettljause und ab ins Bett. Ich rede nochmal mit meinen geschundenen Füßen, ob es auch noch zwei Tage ohne Wellness geht und somit planen wir die nächste Wanderung für morgen.

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