Ein Büßergang der so richtig weh tat

Für die heutige Wanderung hatte ich ja mein neues T-Shirt von den „rollenden Steinen“ an und eigentlich hätte der Titel „Mama was a Rolling Stone“ wunderbar zum Wandertag gepasst. Aber ich musste umdisponieren, obwohl ich wirklich alles für die Umsetzung dieses Titels getan habe. Wir fuhren heute in mein Lieblingstal in Südtirol, nach Pfelders. Hier bin ich in meinem Leben schon so einige Kilometer gelatscht und hatte auch einige Versuche für die hochgelegenen Hütten, wie die Zwickauer und Stettiner Hütte. Diese scheiterten immer an Blasen, Wetter oder Kondition, aber egal, hier kann man so wunderbar wandern und es gibt ganz idyllische Hütten für die Stärkung des leiblichen Wohls. Also war klar, dass auch für meine Familie eine Wanderung in diesem Tal anstand.

Wir starteten mit dem Grünbodenexpress, welcher uns 400 Höhenmeter ersparte und auf 2.000 Meter über Meeresspiegel starten ließ. Hier ging es zuerst den Panoramaweg entlang zur Faltschnallalm, wo wir erstmals unsere Flüssigkeitspegel auffüllten. Ich liebe ja diese Holunderwasser oder sonstige aromatisierte und gezuckerte Wässerchen. Sehen immer alle noch wie Wasser aus und sind in Wahrheit Kalorienbomben. Aber das eigene Gewissen lässt sich so wunderbar veralbern.
Kurz nach der Alm mussten wir dann einige Wasserfälle queren und hier kam mein T-Shirt ins Spiel, denn mir zog es auf den glatten und nassen Steinen meine Füße weg und ich lag wie ein Marienkäfer auf dem Rücken. Ich dachte dies würde für die Umsetzung des Titels reichen. Swen filmte natürlich anstatt mir zu helfen und so werden heute noch einige bei seinen Statusbildern vor Entsetzen eine Klage wegen unterlassener Hilfeleistung ins Auge fassen. Danke Euch schon jetzt dafür, aber ihr wisst ja: Rache ist Blutwurst!

Irgendwann konnte ich mich wieder aufrichten, ohne als Stein ins Tal zu rollen und so ging es weiter zum Lazinser Hof. Meiner absoluten Lieblingsalm, wobei auch hier die Weltüberbevölkerung ihre Auswirkungen zeigt, denn von dem kleinem idyllischen Hof war kaum noch etwas übrig. Stattdessen wurde jede Abstellmöglichkeit für eine Biertischgarnitur genutzt. Doch das Essen war dafür extrem lecker. Ich wählte drei Knödel mit Gorgonzolasauce, ein grüner Spinatknödel, ein „weißer“ Speckknödel und ein roter Rote Beete Knödel. Ich finde, dafür das die Südtiroler eigentlich nicht zu Italien gehören wollen, war dies eindeutig die italienische Flagge in Knödelform. Vielleicht stammt der Koch eigentlich aus Italien und sendet so versteckte Botschaften der Reue und ein SOS. Wer weiß, ich habe nun aber die leckeren Beweise bis auf den letzten Happen verschlungen und somit sitzt der Koch weiter fest.

Weil mich hier mein schlechtes Gewissen plagte, bestellten wir lieber ne b’soffene Marille und betäubten das schlechte Gefühl. Eigentlich kann ich auf solchen Wanderungen nichts mit Alkohol trinken, weil dieser direkt in meine Beine fließt und die komplette Kontrolle übernimmt. Aber ein Marillchen hat noch keinem nachweislich geschadet und schließlich hatte ich ja meinen Marienkäfersturz schon hinter mir. Also nahmen wir Angriff auf die dritte Alm, die Lazinser Alm, wieder etwas bergauf. Und auf diesem Hinweg zeigte sich auch wieder, warum ich dieses Tal so liebe. Eingebettet in riesige Gebirgsketten schlingelt sich der Pfelderer Bach durch das Tal und das teils als ordentlich reißender Strom. Gleichzeitig gibt es einige Wasserfälle oder -fällchen und reichlich tolle Aussichten. Ich und mein Fotoapparat waren im Langzeitbelichtungshimmel. Um dass auszunutzen musste ich aber noch etwas Geduld zeigen. Also zuerst rauf auf die Alm und ein letztes Mal den Flüssigkeitsvorat auffüllen. Also so dachte ich zumindest.

Ich trat dann mit 20 Minuten Vorsprung, was läppischen 10 Foto’s entspricht, den Rückweg an, während die anderen drei noch in Ruhe die Alm genossen. Ich stattdessen hechtete den ersten Kilometer hinunter als gäbe es kein Morgen und überholte alle anderen Spaziergänger. Nur um an einer wirklich sehr fotogenen Stelle zu rasten. Dort baute ich mich mit allen Tricks auf und belichtete im Minutentakt, während ich nebenbei die Aussicht genoss. Irgendwann kamen auch die Nachzügler und ich bekam noch Zeit für 2 weitere Aufnahmen, während sie um den Fluss herum Quatsch machten. Eigentlich war klar, dass irgendwann irgendjemand in diesem furchtbar kalten Fluss enden würde. Aber so als Elternteil an sich geht man ja doch mit einem gewissen Grundoptimismus heran. Wird schon nichts passieren. Bis jetzt ist es ja auch immer gut gegangen. Was soll schon passieren.

Als ich dann fertig geknipst hatte, packte ich wieder mein minimalisiertes, tragbares Equipment ein und war abmarschbereit. Georg wollte uns nur noch schnell zeigen, wie kalt das Wasser war, rutschte aus und stürzte mit den Armen voran in ebendiesen kalten Fluss. Bis zu dieser Sekunde war es noch ein lösbares Problem, denn bisher waren nur die Arme, das Gesicht und das T-Shirt nass und er übte Liegestützen mit Kühlung der Unterarme. Also hechteten wir hin mit den Worten: „Warte, bleib so!“ um ihn zu packen und zu retten. Und wie immer machen Kinder nie das was die Eltern ihnen sagen, schon gar nicht wenn das Wörtchen „Warte“ enthalten ist. Also setze der Reflex der Selbstrettung ein, was aber bedeutete, dass Georg mit den Füßen, inklusive Schuhen, in den Fluss sprang und rausrannte. Blöder Fehler, ganz blöder.

Nun sind ja die Zeiten wo ich mit einer kompletten Zweitausstattung rumrenne, für Windelunfälle oder ähnliches, schon lange vorbei und so konnten wir nur T-Shirt gegen Jacke tauschen und die Schuhe und Strümpfe schnell ausziehen. Und nun begann Georg’s Büßergang der falschen Entscheidungen. Insgesamt 4 Kilometer ins Tal über Stock und Stein. Georgs Babyfüße hatten somit ihr erstes Hornhauterlebnis und haben alles Babyhafte verloren. Wie bei einem Büßergang üblich, lief das Ganze aber ohne Jammern und Murren ab, sondern Georg ertrug sein Schicksal wacker und sang noch dabei. Und als wir in Pfelders dann noch Zeugen des Abendlichen Almabtriebs der Kühe wurden, ging Georg so barfuß wie er war glatt als Kuhhirte durch.

Und schlussendlich hat er mir dadurch diesen Titel weggeschnappt. Ich sitze nun mit meinem Band-Shirt vor dem PC, während er seine wunden Füße streichelt. Ich sag’s Euch aber, ich hätte deutlich mehr gejammert als er.

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